Gewisperter Hass von Teenies in der Bahn : Shame on me?
Manchmal ist das Leben zum Haare raufen … Ich sitze in der S-Bahn, habe auf dem Handy meine Notiz-App offen und suche verzweifelt nach Inspiration für eine positive Kolumne. Der Tisch ist reich gedeckt, um über all den Scheiß zu schreiben, der sich bis zum Ersticken häuft: Dyke* March, Messerattacken, die Welt also solche ist einfach gerade kein guter Ort um zu existieren.
Aber eigentlich ist es icht mein Style immer nur den Frust in Worte zu fassen. Mein Style war es mal die Welt mit Witz und Humor zu analysieren und dadurch mich und andere Jüd*innen zu empowern – vor dem 7. Oktober … Witz und Humor haben sich seitdem im allgemeinen Geschrei und meinem eigenen Weltschmerz verlaufen und bisher nicht zu mir zurückgefunden.
Trotzdem glaube ich an das gelegentliche Durchatmen in all dem Horror und suche also nach der jüdischen Banalität in all dem Irrsinn, über die ich schreiben könnte, als zwei Mädels in die Bahn einsteigen und sich mir gegenübersetzen. Teenager. Etwa 14 würde ich schätzen. Quietschbunte Slushies in der Hand. Es entgeht mir nicht, dass eine die andere anstupst und sie auf mich aufmerksam macht. Sie fangen an, zu kichern.
Tuscheln, Kichern und Rüberschauen
Mein Instinkt ist, auf mein Brustbein zu greifen, um zu fühlen, ob mein kleiner goldener Stern von hinten (unsichtbar) nach vorne (sichtbar) gerutscht ist. Ich lasse es aber, weil ich spätestens damit Aufmerksamkeit auf den Stern ziehe. Und wer weiß, vielleicht habe ich einfach etwas Albernes im Gesicht.
Der Griff erweist sich kurz darauf eh als unnötig, als die beiden Mädchen nach mehreren Sequenzen aus Tuscheln, Kichern und Rüberschauen, anfangen rhythmisch „Shame on you“ in meine Richtung zu wispern und weiter zu kichern.
Zwei Stationen später steigen sie aus, am quietschbunten Slushie schlürfend, verstohlen „Shame on you“ kicher-flüsternd. Ich befinde mich irgendwo im Spektrum zwischen genervt, fasziniert, unbehaglich und zynisch. Dass Teenies ernsthaft meinen, Slushies wären jetzt wieder en vogue, ist eine Sache, aber Jüd*innen öffentlich an den Pranger zu stellen ist ein Trend, der wirklich ein für alle Mal eingemottet und nicht ver-„lifestyled“ gehört! What a shame!