Haus Schulenburg: Geraer Mäzen rettete die Villa vor dem Verfall
„Schauen Sie sich diese Türklinke an, auch ein Entwurf von Henry van de Velde. Ich habe sie nachgießen lassen“, erzählt Volker Kielstein beim Betreten von Haus Schulenburg, dem heutigen Henry Van de Velde Museum in Gera.
Der belgische Künstler Henry Van de Velde entwarf das Gebäude 1913/14 als Wohnhaus für den Industriellen, Kunstmäzen und Orchideenliebhaber Paul Schulenburg. Es ist ein Gesamtkunstwerk, eingebettet in einen großen Garten und in der Gestaltung auf die Architektur abgestimmt. Dass es seit 2013 als Museum besucht werden kann, ist dem Einsatz Volker Kielsteins zu verdanken, der die Thüringer Villa originalgetreu restauriert hat.
Für dieses Lebenswerk erhält der 82-Jährige den europäischen Europa-Nostra-Preis 2024, eine Auszeichnung, die jedes Jahr herausragende Leistungen im Bereich der Erhaltung von Kulturerbe würdigt.
Faszination für die Details
Dass Kielstein auf die Türklinke hinweist, sagt viel über seine Leidenschaft für die Architektur und das Design der Villa aus. Das Anliegen des Unermüdlichen war es, alles so instand zu setzen, wie der Architekt es einst geplant hatte. Im Lauf der Jahre entwickelte Kielstein die Expertise dafür, fand Handwerker aus der Region, er kümmert sich um jedes Detail persönlich.
Stolz führt er durch das Haus, verweist auf Stofftapeten, die er nachweben ließ, neu gepolsterte oder nachgebaute Möbel, einen neu gewebten Seidenteppich. Die größte Herausforderung sei die Rekonstruktion des Treppenhauses gewesen, es beherbergt eine eleganten Freitreppe, die von zwei Seiten ins Erdgeschoss führt.
Prägend für Volker Kielstein war die prächtig illustrierte Monografie von Hans Osthaus aus dem Jahr 1920. Haus Schulenburg ist dort ausführlich dargestellt. Kielstein und seine Geschwister blätterten zu Hause oft in dem Band. Nach dem Krieg ließ sich Kielsteins Vater als Arzt in der Region nieder. Die Kinder hatten die Aufgabe, Verbandsmaterial in einem Aluminiumbehälter ins Waldkrankenhaus Gera zum Sterilisieren zu bringen. Ihr Weg führte sie regelmäßig an der Villa vorbei.
Haus Schulenburg ist für Volker Kielstein Kindheitserinnerung
„Ich erinnere mich genau an das ungewöhnlich gestaltete Eisentor und die darin geöffnete Tür, die den Blick auf ein tonnenförmig gewölbtes Eingangstor freigab“, erzählt er. Das Haus sah anders aus als alles, was Kielstein bis dahin gesehen hatte. „Haus Schulenburg wurde für mich wie ein innerer Maßstab.“
Kielstein studierte Medizin in Magdeburg und gründete dort 1978 eine Suchttagesklinik und eine ambulante psychiatrisch-psychotherapeutische Abteilung, die er 1995 privatisierte.
Haus Schulenburg stand in der Nachwendezeit bis 1997 leer. Es war nach dem Zweiten Weltkrieg zur medizinischen Fachschule umgebaut worden. Im Garten stand ein schmuckloses dreigeschossiges Schwesternwohnheim. „Als ich hörte, dass die Stadt es verkaufen will, wollte ich es erwerben. Mein Ziel war, es als Gesamtkunstwerk wieder für die Öffentlichkeit herzurichten“, sagt Kielstein. „Die kulturelle Nutzung betriebswirtschaftlich tragfähig zu gestalten, war eine Herausforderung“. Träger des Museums ist die in Gera gegründete Europäische Vereinigung der Freunde Henry van de Veldes.
Ohne Unterstützung wäre es nicht gegangen
Kielstein macht nicht viel Aufhebens um seine Person, er ist bescheiden, fährt ein altes Auto. Sein Geld steckte er in die Rettung des Hauses. Bis zu ihrem Tod 2018 war ihm seine Frau, eine Medizinprofessorin, eine große Stütze, „anders wäre es gar nicht gegangen. Ich brauche den Dialog. Jede Woche sind wir von Magdeburg nach Gera gefahren, um die nächsten Schritte zu planen.“ Ein weiterer unersetzlicher Unterstützer heißt Karsten Friedrich. „Er kann Fenster einbauen, Platten verlegen, die Website gestalten, ohne ihn wäre ich verloren“, sagt Kielstein.
Kielstein reizte, dass das Hauptwerk des Belgiers Henry Van der Velde in Ostdeutschland steht, verkannt und vergessen. „Van de Velde fasziniert mich, er wollte den Historismus überwinden hin zur modernen Gestaltung, die den Bedürfnissen der Menschen entsprach, vom Türgriff bis zum Eisenbahnwaggon.“
Nach dem Kauf des Hauses 1997 bekam Kielstein Unterstützung vom Bundesverwaltungsamt, dem Thüringer Landesdenkmalamt, der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und von der belgischen Botschaft, die ihm vor allem den Zugang zu belgischen Archiven und Bibliotheken öffnete.
Im März verlieh ihm das belgische Königshaus den Kronenorden. Und nun kommt der Denkmalpreis Europa Nostra dazu. „Ein Ostdeutscher Mäzen, der ein hochkarätiges Bauensemble des 20. Jahrhunderts im Osten Thüringens rettet, das ist wahrlich ein Grund zu großer Freude für ganz Deutschland“, sagte Uwe Koch, Präsident von Europa Nostra Deutschland.
Aus Haus Schulenburg eine europäische Institution zu machen als Ort des kulturellen Austauschs – das wäre Kielsteins Wunsch, um sein Werk für die Zukunft fit zu machen.