Gesucht wird … eine Mannschaft

Arne Friedrich wollte Hertha BSC am Saisonende verlassen, das hatten er und der Verein Anfang Februar mitgeteilt. Montagabend kam es anders: Der Sportdirektor und der Klub haben sich bereits jetzt getrennt. Mitten im Abstiegskampf. In einer Krise, die selbst für einen Verein, der sich seit mehr als zwei Jahren meist im Krisenmodus befindet, ein enormes Ausmaß angenommen hat.

Durch Friedrichs Abgang hat sich beim Berliner Fußball-Bundesligisten schon wieder eine neue Baustelle aufgetan. Wegen des früheren Zeitpunkts und vor allem wegen eine Aussage Friedrichs in der offiziellen Mitteilung, die sich unüblich liest für eine solche. Aus verschiedenen Gründen sei in den vorigen Monaten bei ihm das Gefühl entstanden, „dass mein Einfluss bei wichtigen sportlichen Entscheidungen nicht mehr ausreichend gegeben ist, um meinen Aufgaben als Sportdirektor gerecht zu werden“.

Somit gab es für Sportgeschäftsführer Fredi Bobic am Dienstagvormittag neben vielen anderen ein weiteres heikles Thema, auf das er in einer Medienrunde einzugehen hatte. Bobic betonte mit Blick auf die vorzeitige Trennung: „Alles war sauber und ist es auch jetzt noch. Wir haben in normalem Ton und respektvoll miteinander geredet. Aber es ist klar, dass ich ihn bei vielen Entscheidungen, die die Zukunft von Hertha BSC betreffen, nicht mehr komplett beteiligen konnte. Das ist normal, wenn jemand aufhört.“ Spekulationen, wonach Friedrich eine andere Auffassung bei der Trainerfrage gehabt haben könnte, widersprach Bobic: „Das hat nicht die Rolle gespielt, sondern interne Sachen, auf die ich öffentlich nicht eingehe.“

Bobic sprach aus, was nach den vergangenen Tagen bereits ziemlich klar gewesen war: Tayfun Korkut bleibt Trainer. „Das haben wir alle zusammen entschieden.“ Trotz der ungebremsten Talfahrt in der Rückrunde, die die Berliner bis auf einen Punkt an die direkten Abstiegsplätze geführt hat. Ende November war Pal Dardai entlassen worden, als Hertha auf Rang 14 lag, fünf Punkte vor Platz 17.

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Der Absturz in dieser Form habe auch ihn überrascht, gab Bobic zu: „Es hat keiner damit gerechnet, dass wir bis jetzt so eine Rückrunde spielen.“ Nach seiner Ansicht erreiche der Trainer die Mannschaft aber noch, das Tischtuch sei nicht zerschnitten: Er habe komplettes Vertrauen in Korkut. Den Druck auf den Coach, dem er vor anderthalb Wochen eine Jobgarantie bis Saisonende ausgestellt hat, erhöhte er aber doch: „Der Trainer weiß, dass wir punkten müssen.“ Am Samstagabend bei Borussia Mönchengladbach – und auch danach.

Sehr deutlich wurde Bobic, als es um die Spieler ging. Am Sonntagvormittag gab es ein langes Gespräch zwischen ihm und den Profis. Diese hätten erkannt, „dass sie das Problem sind. Sie müssen eine Mannschaft werden, so schnell wie möglich. Das sind wir gerade nicht.“ Ehrlicher Austausch und sich dabei auch mal verbal wehtun, soll nach Ansicht des Sportgeschäftsführers helfen.

Wobei sich die Frage stellt, ob Akteure, die im seit geraumer Zeit andauernden Abstiegskampf meist eine Ansammlung von Individualisten waren, mal eben umschalten können. Bobic will dabei helfen, indem er in der Öffentlichkeit alles auf sich zieht, „was ich auf mich ziehen kann“. Ausreden soll es dadurch nicht geben: Wer nicht mitmacht, sei raus. Unabhängig vom Namen oder der Reputation.

„Ich trainiere hier keine Jugendmannschaft“, rief Korkut beim Training am Dienstag

Korkut versuchte am Dienstag im Training ebenfalls, die Spieler wachzurütteln. In einem Video des rbb ist zu hören, wie er in lautem Ton zum Teil auf Deutsch, zum Teil auf Englisch sagt, dass es um die Zukunft der Spieler und nicht um seine ginge. Und: „Ich trainiere hier keine Jugendmannschaft.“

Ob es hilft, wird sich zeigen. Zumindest schlechter als am Samstag kann es kaum werden. „Das hat uns alle erschrocken, vor allem die Art und Weise“, sagte Bobic über das 1:4-Desaster gegen Eintracht Frankfurt. Dieses Spiel hatte bei den meisten Fans im Stadion die Hoffnung auf ein versöhnliches Ende der Saison endgültig weggewischt. Sie riefen „Absteiger, Absteiger“.

Um das zu verhindern, soll sich auch die Spielweise ändern. In den letzten Partien bekam Hertha fast schon grotesk viele Gegentreffer. Die offensive Ausrichtung führte selten zu eigenen Toren, die Abwehr leistete sich zahlreiche Aussetzer. „Es wird nicht funktionieren, wenn du so viele Tore bekommst. Du musst gucken, dass du den Laden schließt. Das bedeutet, zu den ganz einfachen Dingen zurückzugehen“, fordert Bobic. Eine ähnliche, nämlich defensive, Herangehensweise hat Pal Dardai meist praktiziert. Und damit durchaus Erfolg gehabt.