Erste Star-Auftritte beim Filmfest Venedig: Wir sind ja noch da

„Warum sollte ich aufhören?“, fragt Sigourney Weaver. Die Frau, die Hollywood vor 45 Jahren in Gestalt von Ellen Ripley in „Alien“ die erste (und vielleicht bis heute wichtigste) Actionheldin bescherte, wird im Oktober 75. Zum Glück, so Weaver, habe die Welt inzwischen beschlossen, dass auch ältere Frauen interessante Figuren im Kino verkörpern können, nicht mehr nur Schwiegermütter. Es sei aufregend, wieder.

Wenige Stunden vor der Eröffnungs-Gala des 81. Filmfests Venedig, bei der sie mit dem Goldenen Ehren-Löwen ausgezeichnet wird, macht die 1,85 Meter große Schauspielerin beim Fotocall auf die Strassbrosche in Löwengestalt auf ihrer Krawatte aufmerksam. Und zeigt sie sich im Konferenzsaal des Palazzo del Casinò dankbar über die Frage einer Journalistin, ob Heldinnen wie Ellen Ripley vielleicht einen winzigen Anteil daran haben, dass eine Frau wie Kamala Harris nun als US-Präsidentin kandidiert. Die Erleichterung darüber, dass Harris nun doch gegen Donald Trump antritt, ist ihr deutlich anzumerken.

In der Krise, so Weaver, standen Frauen schon immer an der Front, auch jetzt beim Kampf gegen den Klimawandel. Ihre Role Models? Bette Davis und die anderen Hollywood-Diven der 1930er und 1940er Jahre. Oder auch Ingrid Bergman, die sie in ihrer eigenen Anfangszeit am Broadway erlebte und die in Somerset Maughams „A Constant Wife“ selbst nach einem Knöchelbruch weiterspielte – im Rollstuhl.

Der französische Star Isabelle Huppert leitet dieses Jahr die Löwen-Jury.

© AFP/ALBERTO PIZZOLI

Vier Mal hat Sigourney Weaver ihre ikonische Science-Fiction-Rolle verkörpert, in allen vier „Alien“-Folgen. Sequels, so Weaver, waren damals noch keineswegs üblich. Umso schöner sei es gewesen, sich gemeinsam mit ihrer widersprüchlichen Figur weiterzuentwickeln.

Zurzeit spielt Weaver übrigens wieder Theater, am Londoner West End als Prospero in Shakespeares „Sturm“. Nicht als Mann tritt sie auf, sondern als Frau mit Tochter, die nicht aufgibt, nachdem ihre Widersacher auf ihrer Insel gestrandet sind.

Warum sollten wir aufgeben, wir sind ja noch da! Wie ein unausgesprochener Refrain zieht sich das Moment der Selbstbehauptung durch die ersten Pressekonferenzen auf dem Lido di Venezia. Bei der Vorstellung der internationalen Jurys bescheingt Festivalchef Alberto Barbera der Mostra einmal mehr, sie versammele so viele Stars auf dem roten Teppich wie seit Jahren nicht mehr. Und Isabelle Huppert, Präsidentin der Löwen-Jury, möchte bei der Erinnerung an ihrer zahlreichen Venedig-Auftritte und -Erlebnisse lieber nichts ins Detail gehen: „Die Zeit fliegt“.

„Wir müssen sicherstellen, dass das Kino überlebt“, sagte der französische Star. Gemeinsam mit der US-Regisseurin Debra Granik („Winter’s Bone“), die die Jury der Orizzonti-Reihe leitet, beharrt sie darauf, dass das Kino der Vereinzelung widersteht und die Verbindung zum Publikum nicht abreißen dürfe.
„Festivals sind Orte des Trotzes“, ruft Granik. Schon für all die Geschichten, die sonst im Mainstream nicht vorkommen. „Wir müssen gegen den Strom schwimmen.“

Um vielleicht doch zwei Mal in denselben Fluss zu steigen? Beim Pressegespräch mit dem Team von Tim Burtons „Beetlejuice Beetlejuice“, dem 36 Jahre (!) nach Teil Eins fertiggestellten Sequel zu seiner Kult-Horrorkomödie der Achtziger, machen die Darsteller sich selbst Komplimente in diese Richtung. „Er ist kein bisschen gealtert“, lobt Catherine O’Hara, die schon 1988 dabei war, ihren Kollegen Michael Keaton: „Er war damals schon tot“. Und Keaton mokiert sich wie gehabt über seine Titelrolle des durchgeknallten Poltergeists, der natürlich kein bisschen gereift ist.

Das Team von „Beetlejuice Beetle Juice“ (v.l.): Justin Theroux, Catherine O’Hara, Winona Ryder, Regisseur Tim Burton, Michael Keaton und Jenna Ortega.

© REUTERS/LOUISA GOULIAMAKI

Im Sequel wird Beetlejuice-Keaton von der Jenseits-Gothic-Diva Dolores (Monica Bellucci) heimgesucht. Seinerseits sucht er erneut Winona Ryder alias Lydia Deetz heim, die jetzt selbst eine heranwachsende Tochter hat.

Unsere Leichen leben noch, ramponiert vielleicht, aber Zusammenflicken lässt sich so einiges? Nein, das Kino ist alt und blutjung zugleich. Winona Ryder nennt es ein vergnüglich-verspieltes Comeback. Und Regisseur Tim Burton verrät, dass sie genauso schnell und spontan gearbeitet hätten wie in den Achtzigern. Ohne computergenerierte Spezialeffekte, sondern mit altmodischer Tricktechnik und Puppen aus dem Spielzeugladen.

In den letzten Jahren bin ich mir selbst etwas abhandengekommen“, sagt Burton. Der einzige Ausweg sei gewesen, etwas zu tun, das ihm Spaß macht und das er liebt. Willem Dafoe, der in Teil Eins nicht dabei war, will die Leute mit „Beetlejuice Beetlejuice“ vor allem zum Lachen bringen. Ob es gelingt, wird man sehen, am Mittwochabend bei der Weltpremiere zur Eröffnung des Filmfests Venedig.