Erinnerung ans verlorene Tiergartenviertel
„Freiluftkinoglück im Hier und Jetzt“ verspricht die Website der Sommerkino-Betreiber. Das meint (auch) das Glück, diesen Platz am Randes des Berliner Kulturforums, italianisierend „Piazzetta“ genannt, von Publikum wieder belebt zu sehen, ihn zu „erleben“.
Gerahmt wird die Piazzetta von den Eingängen zur Gemäldegalerie, zum Kupferstichkabinett, zur Kunstbibliothek und zum Kunstgewerbemuseum. Der Ort ist Kulturmenschen wohlvertraut – doch kaum einer weiß, was sich historisch unter leicht abschüssigen Fläche mit den bunten Steinplatten verbirgt, die Mitte der 1980er Jahre nach Entwurf des „Zero“-Künstlers Heinz Mack zu einem großflächigen Muster ausgelegt worden sind.
Darunter befanden sich ursprünglich die Grundstücke des Tiergartenviertels, der nobelsten Wohngegend des spätkaiserlichen Berlin – bis die Nationalsozialisten dem hier lebenden, zumeist jüdisch geprägten Großbürgertum ein Ende machten. Unter Hitlers Architekt Albert Speer wurden die Villen abgerissen, um der Prachtstraße des Regimes Platz zu machen, der geplanten Nord-Süd-Achse bis zur gigantomanischen Halle des Volkes. Doch der Krieg kam eher; und zurück blieb ein Ruinenfeld, das der West-Berliner Stadtplanung die Möglichkeit zur Anlage des Kulturforums bot.
Die Arnholds sammelten deutsche und französische Malerei
Die Erinnerung an die Vorbesitzer blieb außen vor. Um so peinlicher, als sie es doch waren, die zur Weltgröße der Berliner Museen so entscheidend beigetragen hatten, die nun auf dem Gelände bauliche Gestalt gewannen. Immerhin an James Simon zu erinnern, hat man sich in Berlin bequemt, mit dem neuen, nach ihm benannten Eingangsgebäude auf der Museumsinsel.
An Bedeutung als Sammler stand Eduard Arnhold ihm kaum nach, der mit seiner Frau Johanna ein veritables Museum der klassisch-französischen Moderne auf seinem Grundstück im Tiergartenviertel unterhielt, in der heute verschwundenen Regentenstraße.
Die Arnholds sammelten Werke von Eduard Manet, Claude Monet und Alfred Sisley, wie sie zuvor Böcklin, Feuerbach, Leibl gesammelt hatten; vor allem aber Max Liebermann. Und mehr als das: „Alles, was Liebermann vor Augen stellte, das lebten Johanna und Eduard Arnhold“, erklärte Peter-Klaus Schuster, Vorstand der Stiftung Brandenburger Tor, jetzt im Liebermann-Haus bei der Vorstellung der Initiative, die dem Sammler- und Stifterpaar Arnhold ein bleibendes Andenken verschaffen will. Gedacht ist an die Widmung der besagten Piazzetta auf dem Kulturforum als „Johanna und Eduard Arnhold- Platz“, zugleich aber auch an ein Denkmal in Gestalt eines Kunstwerks.
Zu den mäzenatischen Taten der Arnholds zählt die Stiftung der Villa Massimo in Rom als Künstler-Refugium auf Zeit. Die Initiative hat vier ehemalige Stipendiaten gewonnen, Ideen eines Berliner Gedenkortes einzureichen.
Zwei wurden nun vorgestellt. Die Malerin Tatjana Doll schlägt eine Art Bauschild vor, auf dem ein vergrößerter Ausschnitt aus Liebermanns Gemälde vom Wannseegarten der Arnholds zu sehen ist, umrahmt von blauen Davidssternen.
Der Architekt Lars Krückeberg vom Büro Graft will ein Stück des Parks der Villa Massimo innerhalb der Piazzetta neu erstehen lassen; ungefähr dort, wo sich derzeit das provisorische Café befindet. Dazu tritt als optische Installation eine Art Sonnenuhr mit dem Meridian, der den täglichen Höchststand der Sonne markiert und zugleich auf die früheren Bewohner verweist.
Viele Prominente unterstützen die Initiative
Unterstützung erfährt die unter anderem von Lea Rosh und Christoph Stölzl gebildete Initiative unter anderem von Daniel Barenboim, Hetty Berg, Wolfgang Huber, Wolf Lepenies, Michael Naumann, Peter Raue und Julius H. Schoeps: Hier versammelt sich das bildungsbürgerliche Berlin von heute, gewissermaßen als Spiegelbild der damaligen Tiergarten-Gesellschaft.
Die leidige Frage nach den Kosten einer dauerhaften Installation beantwortete bei der Präsentation der Initiative Thomas Albrecht, der als Architekt an der Erbauung der Gemäldegalerie mitgewirkt hat. Je nach Entwurf wären mit einer, maximal aber mit fünf Millionen Euro zu rechnen, für deren Aufbringung die öffentliche Hand in Anspruch genommen werden soll.
Am Anfang aber muss die Namensgebung des Platzes stehen, ehe die „Schichten“ der Piazzetta durch künstlerische Intervention wie ein „Palimpsest“ (Peter-Klaus Schuster) freigelegt werden. Immerhin, das sei hier nachgetragen, ist dem Wirken der Arnholds wie auch anderer Stifter in dem Buch „Mäzenatentum in Berlin“ ein Denkmal gesetzt, das, von Günter und Waldtraut Braun herausgeben, bereits 1993 erschien, um diese zerrissene Traditionslinie in die Jetztzeit hinein neu zu ziehen.