Jonas Vingegaard gewinnt und mit ihm der Radsport
Am Ende kam die Frage, die sich immer noch viele stellen angesichts der Bilder von der Tour de France 2022, die am Sonntag in Paris mit dem Etappensieg des Belgiers Jasper Philipsen ihr Finale fand. Ob bei ihm und in seinem alles dominierenden Team Jumbo-Visma denn alles mit rechten Dingen zugehen würde, wurde Jonas Vingegaard vor dem Schlussakkord des größten Radsportspektakels der Welt gefragt.
Also sprach der Däne: „Wir sind total sauber. Jeder von uns. Ich kann für das ganze Team sprechen. Niemand von uns nimmt etwas Verbotenes.“
Sätze wie diese gab es im Radsport in der Vergangenheit häufiger, die Halbwertszeit war allerdings oftmals eher gering. Sollte die Tour de France wirklich komplett ohne verbotene Hilfsmittel erfolgreich zu bestreiten gewesen sein? Und wie kann ein Flachländer aus Jütland, wo der höchste „Berg“ gerade einmal 173 Meter misst, plötzlich zum Gipfelstürmer beim härtesten Radrennen der Welt werden?
Skepsis ist angebracht, allerdings gilt auch die Unschuldsvermutung und der Blick auf das, was sich im Radsport in den vergangenen Jahren verbessert hat – gerade beim Thema Doping. Längst gibt es eine neue Generation von Profis, die überzeugend vermitteln kann, dass es ein Umdenken gegeben hat. Flächendeckende Manipulationen wie sie vor einiger Zeit noch an der Tagesordnung waren, sind tatsächlich kaum mehr vorstellbar. Einzelfälle wird es hingegen immer geben.
Ein gutes Gefühl bleibt zurück
Und so bleibt von dieser Tour de France ein gutes Gefühl. Die gezeigten sportlichen Leistungen waren mitreißend, es gab kaum einen Tag, an dem nicht beste Unterhaltung geboten wurde. Natürlich dürfen bei aller Begeisterung auch die Fahrer nicht vergessen werden, so mancher fand das einseitig auf größtmögliches Spektakel ausgerichtete Rennen nicht immer im Sinne der Protagonisten.
Geprägt hatte diese Tour der grandiose Zweikampf zwischen Gesamtsieger Vingegaard und seinem Vorgänger Tadej Pogacar, ein Duell, das nach Wiederholung im kommenden Jahr schreit und dann womöglich sogar ein Triell wird, wenn der Kolumbianer Egan Bernal dann hoffentlich wieder bei bester Gesundheit ist.
Aber es war nicht nur der Kampf an der Spitze, der die Massen in den Bann zog. Da war auch ein Wout van Aert, der sich als komplettester Fahrer dieser Rundfahrt erwies und dem Siege im Flachen, beim Zeitfahren und beinahe sogar im Hochgebirge gelangen.
Und die Deutschen? Hatten Simon Geschke, der beinahe Historisches vollbracht hätte und das Bergtrikot gewonnen hätte. Das Team Bora-hansgrohe stellte dazu mit Alexander Wlassow den Fünften der Gesamtwertung und hatte in Lennard Kämna einen der angriffslustigsten Profis im ganzen Peloton.
[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]
Auch Maximilian Schachmann hat es bis nach Paris geschafft. Der Berliner hatte schon vor dem Start eine Frage gestellt, die offenbar viele deutsche Fahrer umtreibt: „Warum sind so viele Menschen bei unserer Sportart heutzutage so skeptisch?“
Die Antwort liegt in der Vergangenheit, doch irgendwann sollte die auch einmal ruhen dürfen. Das haben sich die Fahrer von heute verdient, denn – und um es mit Schachmanns Worten zu sagen: „Natürlich ist unsere Leistung extrem. Aber wir machen täglich nichts anderes.“ Und das war in den vergangenen drei Wochen ganz großer Sport.