Erbsenzählerei beim RBB: Haben Berliner und Brandenburger eine gemeinsame „Heimat“?
Der Staatsvertrag für den Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) ist an dieser Stelle unmissverständlich. Der RBB veranstaltet „ein Landesfernsehprogramm für Berlin und Brandenburg mit regionalen Auseinanderschaltungen von mindestens 60 Minuten des täglichen Gesamtprogramms zur gesonderten Darstellung jedes Landes.“ Wer in das tägliche Programm des RBB-Fernsehens schaut, wird diese Anforderung des Staatsvertrages nicht erfüllt sehen. Für die „Abendschau Berlin“ und „Brandenburg Aktuell“ spreizt sich das Programm für 30 Minuten – und dann? Die geforderten weiteren 30 Exklusiv-Minuten für Berlin und Brandenburg lassen sich nicht finden.
Es herrscht Spardruck
Die Zweiländeranstalt für Berlin und Brandenburg steht unter Spardruck. Nicht nur wegen des maßlosen Agierens in der Ära Schlesinger, sondern auch wegen der sehr wahrscheinlich ausbleibenden Erhöhung des Rundfunkbeitrags. Der RBB spart und er wird noch mehr sparen müssen. Dies verträgt sich nicht mit der Ausweitung des RBB-Fernsehangebots.
Was den Staatsvertrag grundiert, hat sich Intendantin Ulrike Demmer zu eigen gemacht: Der RBB soll jetzt als „Heimatsender“ reüssieren – aber nicht nach den Vorstellungen von Staatskanzlei Brandenburg und Senatskanzlei Berlin, sondern nach eigenem Willen und Vermögen.
Dabei wird folgende Rechnung aufgemacht. Der RBB „als Heimatsender für alle Menschen in Berlin und Brandenburg produziert seit dem 15. Januar die Sendung ,Der Tag’ von 18 bis 19:30 Uhr“. Damit entstünden zuverlässig und erkennbar täglich Montag bis Freitag jeweils rund 45 Sendeminuten mit regionaler Berichterstattung aus Brandenburg und jeweils rund 45 Minuten aus Berlin. „Das ist zwar keine Auseinanderschaltung, (über)erfüllt aber aus unserer Sicht die inhaltlichen Vorgaben des neuen Staatsvertrags sehr wohl“, teilte die Pressestelle des Senders mit.
Der RBB hat noch mehr zu bieten. „Den Buchstaben des Staatsvertrags im Sinne einer technischen Auseinanderschaltung werden wir – andererseits – mit den Sendungen von Brandenburg Aktuell/Berliner Abendschau sowie der frühmorgendlichen Auseinanderschaltung zum Visual Radio von Antenne Brandenburg und rbb88,8 gerecht.“ Der Sender wolle aber vor allem und mit Überzeugung dem inhaltlichen Anspruch dienen, der im neuen Staatsvertrag formuliert ist. Das zwischen Berlin und Brandenburg pendelnde „Wir wollen reden“ trage dem Rechnung, die Fußballübertragungen der vergangenen Wochenenden ebenso. In Summe: „Angesichts der finanziellen Lage des RBB suchen wir immer wieder nach kreativen und pragmatischen Lösungen. Diesen Weg werden wir weiter gehen.“
Trickst der RBB, übt er sich in Augenwischerei? Finden sich im einheitlichen TV-Programm für Berlin und Brandenburg genug länderspezifische Einsprengsel, damit unter Hinzuziehung des Radios eben jene 60 Minuten für je Brandenburg und je Berlin herauskommen? Das ist eine Frage, die am besten Menschen mit Neigung für Rechenschieber beantworten können. Es entsteht jedenfalls der Eindruck, dass sich der Sender bei der Erfüllung des Staatsvertrags tatsächlich kreativ und pragmatisch zeigt.
Ein ganz anderes Problem zeichnet sich ab: der Rundfunk Berlin-Brandenburg als „Heimatsender“? Die Umsetzung des Begriffs wird erweisen, ob der RBB künftig die schönst geschriebenen Notizen aus der Provinz liefern wird. Die Umkehrung des Schlesingerschen „Hauptsenders“ in den Demmerschen „Heimatsender“ darf nicht in der Verzwergung enden.
Lasst den Rotstift tanzen
Da ist noch diese Formulierung im Staatsvertrag: „Zwei auf Vorschlag der Intendantin oder des Intendanten vom Rundfunkrat für die Dauer von fünf Jahren gewählte Personen leiten jeweils das Landesangebot von Berlin und das Landesangebot von Brandenburg.“ Hier liegt ein fataler Überschuss im Vertragswerk: Zwei Programm-Kommissare sortieren Erbsen nach Berlin und Brandenburg. Sollte der RBB-Staatsvertrag novelliert werden, möge hier der Rotstift tanzen.