Neustart von Special Olympics Israel: Kompliziert und leicht chaotisch
Sonia Yanushok und Lior Revakh haben ein konzentriertes, aber irgendwie doch entspanntes Lächeln im Gesicht. Sie freuen sich auf ihr Match. Es wurde ein paar Minuten nach hinten verschoben, aber das tut ihrer Vorfreude auch bei den heißen Temperaturen vor dem verregneten Freitag keinen Abbruch.
Die beiden sind seit ihren ersten Schuljahren Tennisspielerinnen. Sie wohnen und trainieren in Ashkelon. Einer Stadt in Israel, direkt am Mittelmeer, direkt in der Mitte zwischen Tel Aviv und Gaza-Stadt. Beim Unified-Tennis Doppel-Wettbewerb, Athlet*innen mit und ohne geistige Beeinträchtigungen spielen hierbei gemeinsam in einem Team, stehen ihnen auf der anderen Seite des Platzes Simona Grondziova und Lenka Stara aus der Slowakei gegenüber. Im Halbfinale ihrer Leistungsklasse geht es bei den Weltspielen von Special Olympics um den Finaleinzug.
Als der erste Satz schon eine Weile läuft, geht Gon Tzuri zu zwei Vertreterinnen einer anderen Delegation. „Ach, das ist Euer Team? Sehr gut, viel Erfolg!“ Die Slowakinnen wünschen das gleiche zurück. Vorher kam er schon mit Vertreter*innen aus der Schweiz ins Gespräch. Und es blieb nicht nur beim Austausch der Pins. Da wurden erst einmal sämtliche schöne Regionen des jeweils anderen Landes besprochen. Gon Tzuri ist der sportliche Leiter von Special Olympics Israel. Aber er ist auch ein Motor der Organisation.
Eine Vertreterin von Special Olympics International und Mitorganisatorin der Tennis-Wettbewerbe guckt sich ein paar Ballwechsel an und ruft dann, „das genau ist Unified-Tennis, wunderbar.“ Die Ballwechsel sind lang, es ist ein ausgeglichenes Match und die Athlet*innen bleiben im ganzen Spiel positiv und freundschaftlich. Das wird es sein, was sie erfreut.
Gon Tzuri spricht sie an. „Wir wollen im nächsten Jahr ein Special Olympics Tennisturnier in Israel austragen“, sagt er und schiebt die entscheidende Frage hinterher: „Gibt es für sowas finanzielle Mittel?“ Die Verantwortliche findet die Idee großartig, aber sagt auch, dass es meistens an der Finanzierung scheitert.
Gon Tzuri nimmt das zur Kenntnis, aber ist davon nicht niedergeschlagen. „Special Olympics Israel gehen gerade einen neuen, einen guten Weg“, erzählt er. Die Organisation hat sich erst vor fünf Jahren neu gegründet. Es gab Unstimmigkeiten zwischen Special Olympics International und dem Vorgänger-Verein. Der existiert immer noch, allerdings mit einem anderen Namen: Virtus. Es ist, wie so oft in Israel: kompliziert und leicht chaotisch. Aber trotzdem auch ein Miteinander. Es gibt wohl auch Virtus-Athlet*innen, die bei den Special Olympics World Games dabei sind.
„Inzwischen trainieren 2000 Athlet*innen in Schulen und über 1000 ältere Athlet*innen sind bei Special Olympics Israel organisiert“, sagt Tzuri. Und er sagt etwas Überraschendes. „Erstmals haben wir in diesem Jahr Unterstützung von der israelischen Regierung erhalten.“ Während an vielen Stellen aus Israel vor allem negative Dinge zur derzeitigen politischen Führung Israels zu vernehmen sind und auch Tzuri privat vielleicht nicht ganz mit dem Kurs des wieder einmal von Benjamin Netanyahu angeführten Kabinetts übereinstimmt, hat er nur lobende Worte über den Minister für Kultur und Sport von der Likud-Partei.
„Miki Zohar unterstützt uns wirklich richtig gut. Zum ersten Mal bekommen wir solche Zuwendungen.“ Finanziell ist Special Olympics Israel deshalb gut aufgestellt. 80 Prozent der Reise konnte aus Fördermitteln bezahlt werden, den Rest haben die Sportlerinnen und Sportler per Crowdfunding im Umfeld von Bekannten und Verwandten aufgetrieben.
2019 in Abu Dhabi noch komplett abgeschottet
Wenn israelische Teams zu Olympischen Spielen aufbrechen, dann spielt die Sicherheit auch immer eine größere Rolle. Tzuri hat sich im Vorfeld natürlich mit Spezialisten beraten. Aber nachdem sie in Abu Dhabi vor vier Jahren, bei den letzten Special Olympics World Games noch komplett abgeschottet waren und nur zu den Wettbewerben gebracht wurden und zurück, ist dieses Jahr alles ganz anders.
„Wir dürfen uns frei bewegen, dadurch ist die Erfahrung natürlich umso schöner“, sagt er. Als kleine Erinnerungsgeste hatte er seinen Sportler*innen vorgeschlagen, sie könnten mit ihren Mützen winken, ganz so, wie es das israelische Team bei der Eröffnungsfeier in München 1972 tat. Eine Handbewegung, die ihm in Erinnerung geblieben war.
Wie sieht es sonst mit der Inklusion in Israel aus? Gon Tzuri beschreibt ein Szenario, das wahrscheinlich viele andere Delegationen teilen: „Es gibt einige Stellen, die sehr engagiert sind, aber es ist ein weiter Weg.“ Immerhin: zehn populäre Klubs aus der ersten und zweiten Fußball-Liga haben Teams aus Fans und Menschen mit geistigen Beeinträchtigungen gebildet und spielen in einer Liga den Sieger aus. Mit echten Trikots von ihren Teams. Der aktuelle Meister Maccabi Haifa stellt ein Team, Hapoel Shavim Tel Aviv ist dabei. Das Shavim im Vereinsnamen ist der Name der Liga. Er bedeutet „Gleichheit“.
Aber zurück zum Unified-Tennis-Doppel. Lior Revakh und Sonia Yanushok haben in einem wirklich sehr engen Spiel die Slowakinnen mit 2:1-Sätzen besiegt und sind ins Finale eingezogen. Damit hatten sie die Silbermedaille sicher, denn im Finale lief es nicht ganz so gut.
„Es ist für mich eine große Ehre, hier mein Land repräsentieren zu können“, sagt Lior Revakh. „Die Spiele mit Sonia machen viel Spaß.“ Sonia pflichtet dem bei: „Alles hier ist so aufregend, die Vorbereitung, die Eröffnungsfeier, die Matches. Und das Level hier ist sehr hoch.“ Beide haben ungefähr ein Jahr lang gemeinsam trainiert, im Herbst 2022 schon an einem Turnier in Budapest teilgenommen. Die Special Olympics World Games aber waren der vorläufige Höhepunkt ihrer Karriere.