Der Hype um Harry Kane geht weiter: Der Mittelstürmer und sein perfektes Debüt für die Bayern
Am Ende eines durch und durch erfolgreichen Abends lieferte Harry Kane unfreiwillig auch noch ein richtig schönes Bild zum Abschluss. Der neue Mittelstürmer des FC Bayern München stand an der Seitenlinie und winkte wie wild in Richtung Schiedsrichter. Nach einer Behandlungspause wollte Kane noch einmal zurück aufs Feld, um sich dann auswechseln zu lassen. Hinter ihm hatten sich gleich drei Offensivspieler, Thomas Müller, Eric-Maxim Choupo-Moting und Mathys Tel, bereit gemacht, um für die Schlussminuten ins Spiel zu kommen:
Drei Stürmer für einen Kane: Ein bisschen war es so wie früher auf dem Schulhof beim Tauschen der Sammelbildchen.
Seit etwas mehr als einer Woche ist Harry Kane, für 100 Millionen Euro von Tottenham gekommen, jetzt Angestellter des FC Bayern. Eine Sensation war er schon vorher. Harry hier, Harry da, Harry überall. Dass der Hype nun abschwellt und wieder so etwas wie Alltag einkehrt, ist nicht zwingend zu erwarten.
Kane stand auch nach seinem Debüt in der Fußball-Bundesliga im Mittelpunkt des Interesses. Nicht weil er endlich da war, sondern weil er beim 4:0 (1:0)-Erfolg seines neuen Arbeitgebers gegen Werder Bremen einen perfekten Einstand gefeiert hatte.
Er macht jeden Spieler um sich herum besser.
Thomas Tuchel, Trainer des FC Bayern München
„Harry! Harry! Harry!“, riefen die Fans der Bayern im Weserstadion eine gute Viertelstunde vor Schluss im Stakkato. Kane hatte seinem ersten Assist zum 1:0 durch Leroy Sané gerade das erste Bundesligator folgen lassen und sein Team mit 2:0 in Führung gebracht. Es war das Ende einer wilden Phase in einem Spiel, in dem der Erfolg des Deutschen Meisters nach einer überlegen geführten ersten Halbzeit etwas überraschend noch in Gefahr geraten war.
Ein Tor, ein Assist, sechs Torschüsse, eine Torschussvorlage: Kanes persönliche Statistik konnte sich sehen lassen. „Natürlich ist er ein Topspieler“, sagte der Bremer Niclas Füllkrug, ein Mittelstürmer, wie auch Kane einer ist. „Aber Bayern hat meistens Topspieler auf dem Platz.“
So viel Nüchternheit in Sachen Kane war und ist in den vergangenen Wochen die Ausnahme. Die Verpflichtung des Kapitäns der englischen Nationalmannschaft hat dem FC Bayern München in diesem Sommer viel Aufmerksamkeit eingebracht, aber hier und da eben auch kritische Fragen: 100 Millionen Euro plus mögliche Boni für einen 30-Jährigen, den man ein Jahr später ablösefrei hätte bekommen können? Euer Ernst?
Das Spiel in Bremen hat mehr als nur angedeutet, dass der Plan der Bayern nicht ganz verkehrt gewesen sein könnte. Kane füllte eine Leerstelle im Spiel der Münchner, die durch den Weggang von Robert Lewandowski vor einem Jahr entstanden ist.
Harry Kane ist schwer zu fassen
„Er hat immer einen Einfluss auf eine Abwehrreihe“, sagte Trainer Thomas Tuchel, „weil er Aufmerksamkeit zieht und seine Bewegungen clever sind. Er macht jeden Spieler um sich herum besser.“
Harry Kane ist nicht der altmodische Mittelstürmer, der ausschließlich im Strafraum herumlungert und auf die Zustelldienste wartet. Als Werder in der ersten Hälfte sehr tief verteidigte, ließ der Angreifer sich immer wieder auf die Zehnerposition zurückfallen, um am Spiel teilzuhaben.
Kane sei kein Stürmer, „der nur abnimmt und vollstreckt“, sagte Bayerns Kapitän Joshua Kimmich, „er ist einer, der die anderen in Szene setzt. Generell tut er unserem Spiel sehr gut, weil er sowohl mitspielen als auch vollstrecken kann.“
Auch Bayerns Trainer Thomas Tuchel sang nach dem Auftaktspiel in Bremen eine Hymne auf seinen neuen Stürmer. Kane sei stark im Halbraum und in der Ballbehauptung, gebe dem Spiel der Mannschaft dadurch die gewünschte Tiefe.
„Er ist sehr, sehr smart in allem, was er tut“, sagte Tuchel. Dazu sehr präzise, wie bei beiden Torbeteiligungen zu sehen war. Sein Pass auf Leroy Sané konnte gar nicht besser gespielt werden. Und vor dem 2:0 nahm Kane den Ball mit dem ersten Kontakt perfekt an und verschaffte sich auf diese Weise den entscheidenden Vorteil.
„Absolut top, beeindruckend“ nannte Tuchel das Auftreten des neuen bayrischen Superstars, nicht nur im Spiel, sondern auch im Training. Allürenhaftes Verhalten scheint ihm fremd. „Er ist ein super Typ, hat einen super Charakter“, berichtete Bayerns Torhüter Sven Ulreich.
Kane selbst gab nach dem Spiel zu, dass er bei seinem Bundesligadebüt ein bisschen nervös gewesen sei und „ein paar Schmetterlinge“ im Bauch gehabt habe. „Es war ein guter Abend, aber auch ein hartes Spiel“, sagte er. Zehn Minuten vor dem Ende lag er mit Krämpfen auf dem Boden, kurz danach wurde er ausgewechselt.
„Es ist sehr wichtig, ihn da vorne drin zu haben, um ein bisschen Ruhe reinzubekommen“, sagte Ulreich. Dabei laufe noch längst nicht alles rund. Aber das werde mit weiteren Trainingseinheiten und einer besseren Abstimmung schon werden, glaubt Bayerns Torhüter. „Dann schafft er auch 90 Minuten.“