Das Herz und die Seele der Akademie
Sie war das Herz und die Seele der Dffb, und ihr Gedächtnis dazu. Ohne Helene Schwarz, die langjährige Sekretärin und Assistentin der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin, hätte es die Schule in dieser Form nicht gegeben.
Sekretärin? Ach was, Generalsekretärin! Wer das Glück hatte, sie kennenzulernen, wer ihre unbändige Freundlichkeit erlebt hat und das Sich-Erkannt-Fühlen, wenn ihr unbestechlicher und doch liebevoller Blick auf einem ruhte, der versteht, warum sie die Hochschule so sehr geprägt hat.
Schon bei der Akademie-Gründung 1966 war die gebürtige Berlinerin und Gastwirtstochter dabei, die unter armen Verhältnissen in einer Kreuzberger Hinterhofwohnung aufgewachsen war und eine Verwaltungsausbildung mitbrachte. Fortan mischte sie sich ein, wann immer es nottat. Nicht zuletzt dank ihres diplomatischen Geschicks wird 1968 in einer Nachtsitzung in ihrer Wohnung das legendäre Gremium des Akademischen Rats ins Leben gerufen: Die Drittelparität sicherte den Studierenden ein Stimmrecht bei allen wichtigen Entscheidungen. Den Rat gibt es bis heute.
Sie verstand auch nicht, warum Rainer Werner Fassbinder bei der Aufnahmeprüfung abgelehnt worden war, und fragte nach. Die Folge: Helene Schwarz war bei ab sofort bei jeder Aufnahmeprüfung dabei. Sie wurde eine Institution, trickste auch mal, wenn sie fand, dass ein Prüfling unbedingt angenommen werden sollte.
In all den heftigen Dffb-Fehden hat sie unermüdlich vermittelt. Zwischen den „Kuchenfilmern“ und den „Politfilmern”, den Auseinandersetzungen um Kunst und Revolution genauso wie bei Streitigkeiten um Verschulung, Kommerzialisierung und die Freiheit des Lernens. Auch zwischen den Generationen hat sie geschlichtet. Ihr Büro mit der berühmten Fotowand blieb immer neutrales Gelände. Hier wurde so manche Friedenszigarette geraucht und der ein oder andere Waffenstillstandskaffee getrunken, heißt es in einem Porträt des Publizisten Ralph Eue.
Vertrauensperson, Gastgeberin, Beschützerin, Förderin, Netzwerkerin: Vielen Absolventen hat sie attraktive Praktika verschafft. Glücklich verheiratet, eine Tochter, dazu ein großer Film-Freundeskreis. Viele waren und blieben ihr freundschaftlich verbunden, Helke Sander, Wolfgang Becker, Detlev Buck, Tom Tykwer, Michael Ballhaus und viele mehr.
Rosa von Praunheim hat einen Film über sie gedreht
Auch Rosa von Praunheim, der sie die Muse des deutschen Films nannte (und seine Ersatzmutter), gehörte dazu. Er hat einen Film über sie gedreht, eine Hommage mit all ihren “Ziehkindern” und Weggefährten. “Wer ist Helene Schwarz?” kam 2005 heraus, als sie mit der Berlinale-Kamera ausgezeichnet wurde. Noch lange nach ihrer Pensionierung engagierte sie sich in der Dffb, nicht nur als Studienberaterin und Schatzmeisterin des Fördervereins.
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Schon für die Absolventen des ersten Jahrgangs, für Holger Meins, Helke Sander und Harun Farocki, hatte sie Kaffee gekocht. Heute ist das Dffb-Café im 9. Stock des Filmhauses am Potsdamer Platz nach ihr benannt. Und ein Regie-Preis, den ihre langjährige Montags-Skatrunde stiftete. Karten spielte sie mit Praunheim und Hans Helmut Prinzler, ehemals Studienleiter und später Direktor der Stiftung Deutsche Kinemathek, mit dem Filmemacher Chris Kraus und wechselnden Gästen, darunter Otto Sander und Wolfgang Kohlhaase.
In der Preis-Satzung heißt es: „Sie hat sich auch nach Jahrzehnten nicht in ihrer Überzeugung beirren lassen, Menschen im Grunde für gut und Studenten für begabt zu halten“. Eine Mutter Zivilcourage für den Filmnachwuchs: Von ihr konnte man lernen, dass Engagement nichts mit Aufopferung zu tun hat, sondern mit Zugewandtheit und Lebenslust.
Am 10. Mai ist Helene Schwarz im Alter von 94 Jahren gestorben. Menschen wie sie fehlen in diesen oft unversöhnlichen Zeiten, nicht nur in der Dffb.