Corona-Frust bei den alten Männern des Pop

Diese Pandemie geht ans Nervenkostüm – und gehörig auf die Nerven. Die Kulturszene haben die zum Teil widersinnigen Corona-Maßnahmen besonders hart getroffen: abgesagte Touren, geschlossene Clubs, neuerdings zwar wieder Konzerte und Partys – aber nur mit Abstand. Da kann einem mittellosen Künstler wie dem Spaßvogel Helge Schneider, 65, schon mal das Lachen vergehen. Der hat am Freitag darum ein Statement in die Welt gesetzt, als er schlecht gelaunt sein Konzert beim Strandkorb Open Air (eigentlich ja eine nettere Social-Distancing-Idee als Autokino-Konzerte) in Augsburg nach 30 Minuten abbrach – und 900 Fans ratlos zurückließ.

Ein Witz des erratischen Alleinunterhalters? Mitnichten! „Das geht mir ziemlich auf den Sack. Ich habe langsam keine Lust mehr. Das System ist einfach fadenscheinig und dumm“, verkündete er bei seinem unrühmlichen Abgang noch, ohne sich weiter zu erklären.

Solche Ansagen sind natürlich eine dankbare Steilvorlage für Querdenker und rechte Corona-Verschwörungsanhänger, die Schneiders Ansage auch prompt in den sozialen Netzwerken teilten. Erst spät reagierte das Lager Schneider, als ihm bereits dämmerte, dass sich der Künstler in eine politische Ecke manövriert hatte, zu der man besser auf Abstand geht: „Querdenker und Co können ihre Instrumentalisierung stecken lassen“, hieß es auf Twitter, „Helge Schneider hat gestern das Konzert abgebrochen, weil die Organisation der Gastronomie vor Ort so war, dass er ständig durch das Gastropersonal, welches an die Plätze serviert hat, abgelenkt wurde.“

Die Gastro also. Am Abend zuvor klang das allerdings noch anders, da klagte die gekränkte Künstlerseele: „Man kriegt keinerlei Kontakt zum Publikum.“

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Das Problem mit der Fan-Nähe

Das mit den sozialen Kontakten ist momentan ja in der Tat ein Problem. Die Frage ist nur, ob man in dieser Zeit nicht auch ein wenig Demut gegenüber den Fans zeigen sollte, die einfach mal wieder froh sind, auf ein Konzert zu gehen.

Die extreme Variante stellt der britische Gitarrenheld Eric „Slowhand“ Clapton, 76, dar, der gerade ankündigte, in England gar keine Konzerte mehr zu spielen, solange das Publikum einen Impfnachweis vorzuweisen habe. Clapton hatte zu Beginn des Jahres schwere Nebenwirkungen nach seiner Impfung gezeigt und sich darüber in der Telegram-Gruppe des Anti-Corona-Aktivisten Robin Monotti ausführlich geäußert. Dazu muss man wissen, dass sich der Großteil von Claptons Anhängerschaft alterstechnisch in der Corona-Risikogruppe befindet; Fan-Nähe sieht definitiv anders aus.

Helge Schneider gniedelte am Samstag auf Twitter schon wieder etwas zerknirscht auf seiner Gitarre, angesichts seines unglückseligen „Impulsvortrags“ in Augsburg. Man möchte den großen alten Männern des Pop in dieser schweren Zeit einfach etwas mehr Gelassenheit wünschen. Wenn man schon vorgibt, etwas für „die Fans“ tun zu wollen, sollte man für einen Moment auch mal das eigene Künstler-Ego zurückstellen. Ausfälle wie die von Schneider und Clapton, so unterschiedlich ihre Beweggründe sein mögen, zeugen von einem mangelnden Problembewusstsein. So nah, wie die Großkünstler annehmen, möchten die Fans ihren Stars gerade vielleicht gar nicht kommen.