Im Nachmittagskleid vor der Gedächtniskirche

Sophia Loren, hat er einmal erzählt, habe gar nicht hineingepasst in die Kleider, die für sie vorgesehen waren: „Die Maße, die die Diva in der Öffentlichkeit verbreitete, hatten nichts zu tun mit ihrer wirklichen Figur.“ Er konnte darüber schmunzeln, Jahrzehnte nach dem Ereignis. Denn es beleuchtet schlaglichtartig seine Tätigkeit als Modefotograf: Kleider durch ihre Träger(innen) und umgekehrt Menschen durch ihre Kleidung schöner zu machen, als sie in Wirklichkeit sind. Doch was heißt Wirklichkeit? Das, was vor, oder das, was nach der Aufnahme zu sehen ist?

Franz Christian Gundlach, der seine Vornamen zeitlebens nur „F. C.“ kürzelte, war ein Fotograf der ersten Stunde der Nachkriegszeit. 1926 geboren, hatte er in den letzten Kriegstagen noch als Luftwaffenhelfer einrücken müssen; in Kassel, unweit seines hessischen Heimatortes Heinebach, erlernte er bis 1949 an der „Privaten Lehranstalt für Moderne Lichtbildkunst“ das Fotografiehandwerk. Von der Theaterfotografie kam er 1953 zur Mode, gerade als das einsetzende Wirtschaftswunder die Sehnsucht nach schöner Kleidung wachsen und zum Wirtschaftsfaktor werden ließ.

Da hatte er bereits erste Erfahrungen in Paris gesammelt; noch Jahrzehnte später berichtete er vom Einfluss des Pariser Existenzialismus auf seine Arbeit, womit eher das gewollt düstere Erscheinungsbild der Adepten gemeint sein dürfte. Davon übernahm er manches für seine bisweilen harten Schwarz-Weiß-Kontraste.

Jedenfalls begann F. C. Gundlach, zunächst für die am Ku’damm ansässige Zeitschrift „Film und Frau“ zu arbeiten, der sich im Laufe der Zeit weitere, über den Kreis der Mode hinausgehende Zeitschriften wie der ästhetisch Maßstab setzende „twen“ zugesellten. Aus heutiger Sicht Kopfschütteln macht die jahrelange Arbeit für die Pelzindustrie; das damalige Topmodel Grit Hübscher „in Weißfuchsstola“ zu zeigen, wäre heute undenkbar.

Mit der Pop-Art wurde die Modefotografie Avantgarde

In Berlin begann eine zweite, goldene Ära der Mode nach jener der Weimarer Republik und dementsprechend der Modefotografie. „Man (frau) gab sich mondän, besonders in Berlin, und hofierte die Couturiers, Mannequins und Photographen genauso als Stars wie die publikumsverwöhnten ,Sterne’ des neuen deutschen Films“, hat der Fotohistoriker Enno Kaufhold dazu bemerkt. Gundlach kombinierte beides, Mode und Filmstars, und machte Aufnahmen mit Ruth Leuwerik, Hildegard Knef oder der „Sissi“-Darstellerin Romy Schneider.

Die Zeitschrift „Brigitte“ gab ihm einen Exklusivvertrag und alle Freiheiten. Nicht zuletzt ging Gundlach für seine Bilderstrecken ins Ausland, suchte zunehmend exotische Kulissen wie Kairo oder Kapstadt zu einer Zeit, als solche Reiseziele für die Käuferinnen der Zeitschriften noch völlig unerreichbar waren, ebenso wie die gezeigten Kleider selbst. Die Modefotografie bediente Sehnsüchte: „Bezahlen konnte die Kleider natürlich niemand. Aber auch wenn es den Menschen schlecht geht, wollen sie träumen“, hat er dazu angemerkt.

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Der Einfluss der Pop-Art machte sich in den sechziger Jahren bemerkbar, die Bilder wurden bunt; Charles Wilp in Düsseldorf mit seinen avantgardistischen Werbefotos war ein Einfluss, ebenso der schon erwähnte „twen“ mit den Reportagen von Will McBride. Die elegante Dame, das Wunschbild der fünfziger Jahre, war passé.

Gundlach allerdings hatte seine Modelle immer schon mal in die raue Wirklichkeit von Hamburg oder West-Berlin gestellt, außerhalb des Studios mit seiner Dekoration, und beispielsweise die frisch um Neubauten ergänzte Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche als Symbolkulisse der neuen Zeit eingesetzt.

Gründungsdirektor des Hauses der Photographie

Zunehmend betätigte Gundlach sich als Unternehmer, gründete den „Professional Photo Service“ PPS in Hamburg und schloss ihm unter gleichem Namen eine Galerie an, eine der ersten Fotogalerien in Deutschland. Dort stellte er die Arbeit von Kollegen wie Richard Avedon oder Irving Penn aus. Zugleich wuchs seine eigene Sammlung; insbesondere kümmerte er sich um das Werk des im Berlin der zwanziger Jahre tätigen, später in den USA als Modefotograf hervorgetretenen Martin Munkácsi.

Und schließlich wurde F. C. Gundlach auch noch Professor, 1988 an der damaligen Hochschule der Künste Berlin, ehe er wiederum ein paar Jahre später zum Gründungsdirektor des Hamburger „Hauses der Photographie“ in den Deichtorhallen berufen wurde. Die Liste der ihm verliehenen Auszeichnungen ist ellenlang, noch länger die der Ausstellungen seiner Arbeiten, die er seit den 1980er Jahren in zahlreichen Museen zeigte. Um seine Sammlung von mehreren tausend Fotografien auf Dauer zu sichern, gründete er im Jahr 2000 die Stiftung F.C. Gundlach in Hamburg.

„Als Modephotograph“, hat Gundlach zur Eröffnung einer Ausstellung eigener Arbeiten im Jahr 2009 gesagt, „muss der Photograph ganz in seiner Zeit leben, denken und fühlen.“ Das hat er über Jahrzehnte hinweg in bemerkenswerter Wandlungsfähigkeit wieder und wieder bewiesen. Am vergangenen Freitag ist F.C. Gundlach genau eine Woche nach seinem 95. Geburtstag in seiner Wahlheimat Hamburg gestorben. Heute wird Mode von „Influencern“ digital verbreitet, die sich gleichwohl an dem orientieren, was früher Studios geleistet haben, in Deutschland nicht zuletzt von F.C. Gundlach.