Comic Invasion im Museum für Kommunikation: Liebeserklärung an die fluffige Monsterstadt Berlin

Als Xueh Magrini Troll zum ersten Mal nach Berlin kam, war sie überwältigt. „Der Kulturschock war riesig“, erinnert sich die Künstlerin, die ursprünglich aus Kolumbien stammt. Vor 20 Jahren zog sie mit ihrer Familie nach Deutschland, da war sie gerade 18. „Berlin ist ein Monster“, sagt sie. „Eine fluffige Monsterstadt, die uns die zauberhaftesten Momente schenkt und uns auch in die tiefsten Dunkelheiten unserer Existenz hineindrückt.“

Inzwischen hat Xueh Magrini Troll, die aus einer Künstlerinnenfamilie kommt, Berlin zu ihrer Heimat gemacht. „Nach zwanzig Jahren kann ich endlich sagen, dass ich mich in dieser Stadt zu Hause fühle“, sagt sie, „aber es war ein langer Weg.“

Eine Szene von Xueh Magrini Troll aus ihrem Projekt „Berlin de mis Amores“.
Eine Szene von Xueh Magrini Troll aus ihrem Projekt „Berlin de mis Amores“.
© Xueh Magrini Troll

Sie hat Visuelle Kommunikation an der Kunsthochschule Weißensee studiert, sammelt seit Jahren ihre Berliner Beobachtungen in bunten Skizzenbüchern. Kürzlich hat Xueh Magrini Troll für ihr auf diesen Beobachtungen basierendes Projekt „Berlin de mis Amores“ ein Comicstipendium des Berliner Senats bekommen. Es ist eine Sammlung illustrierter Kurzgeschichten, Begegnungen und Beobachtungen, die die Zeichnerin als Buch veröffentlichen möchte, wir zeigen hier erste Auszüge aus dem noch unvollendeten Projekt.

Eine weitere Berlin-Impression von Xueh Magrini Troll.
Eine weitere Berlin-Impression von Xueh Magrini Troll.
© Xueh Magrini Troll

Ab diesem Wochenende werden die prämierten Arbeiten von Xueh Magrini Troll und den anderen Stipendiatinnen und Stipendiaten dieses Jahres im Berliner Museum für Kommunikation ausgestellt, parallel zum dort am Sonnabend und Sonntag stattfindenden Festival Comic Invasion. Die Ausstellung läuft bis zum 3. September.

Ein grafischer Briefroman über die Freiheit

Xueh Magrini Troll ist eine von zwei Künstlerinnen, die ein zwölfmonatiges Arbeitsstipendien der Senatsverwaltung für Kultur in Höhe von jeweils 24.000 Euro bekommen hat, desweiteren wurden drei achtmonatige Arbeitsstipendien (je 16.000 Euro) und zwölf viermonatige Arbeitsstipendien (je 8000 Euro) vergeben. Ein weiteres Jahresstipendium bekam die Zeichnerin Marlene Krause für ihr Buchprojekt mit dem Arbeitstitel „Niemand ist frei“.

Eine Seite von Marlene Krause, die für ihr Projekt „Niemand ist frei“ ein Comic-Stipendium des Berliner Senats bekommen hat.
Eine Seite von Marlene Krause, die für ihr Projekt „Niemand ist frei“ ein Comic-Stipendium des Berliner Senats bekommen hat.
© Marlene Krause

„Es ist eine Art grafischer Briefroman über das Konzept von Freiheit beziehungsweise deren Abwesenheit in konzentrischen Kreisen“, fasst die Zeichnerin, die unter anderem an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Hamburg und der Universität der Künste in Berlin studiert und lange in Barcelona gelebt hat, das Projekt zusammen.

Hauptfigur ihrer prämierten Erzählung ist die militante Umweltaktivistin Dúda, die eine Gefängnisstrafe antritt und über Briefe mit ihrem Bruder, der als Bauarbeiter in einer Millionenmetropole lebt, in Kontakt bleibt. Ebenso mit einem alten Freund, der ein politischer Theoretiker und Anthropologe ist und in einer entlegenen indigene Gemeinschaft in Südamerika zu Themen wie Strafe und Sanktionierung forscht.

Die Gewinnerinnen und Gewinner des Berliner Comicstipendiums stellen sich am Sonnabend um 12 Uhr dem Publikum vor, im Anschluss wird ihre Ausstellung eröffnet.

Zahlreiche Gäste aus Italien

Der Länder-Schwerpunkt der Comic Invasion liegt in diesem Jahr auf Italien. Es gibt Ausstellungen, Workshops und Vorträge von italienischen Comicschaffenden wie Alice Socal, Tommy Gun Moretti, Sergio Ponchione, Spugna und Pablo Cammello, mehr dazu hier.

Insgesamt werden rund 90 Ausstellerinnen und Aussteller im Museum für Kommunikation erwartet, die ihre aktuellen Werke präsentieren, mit exklusiven Zeichnungen versehen und bei Podiumsveranstaltungen über ihre Arbeit sprechen.

Vater und Tochter im Dialog über Afghanistan

Darunter am Sonnabend um 15 Uhr auch das aus Afghanistan stammende Vater-Tochter Duo Maren und Ahmadjan Amini. Die beiden sind kürzlich für ihren in Arbeit befindlichen Comic-Band „Ahmadjan und der Wiedehopf“ mit dem Comicbuchpreis der Berthold Leibinger Stiftung ausgezeichnet worden. Die Hamburger Illustratorin Maren Amini erzählt in dem prämierten Band die Geschichte Ihres in Afghanistan geborenen Vaters, der ebenfalls Künstler ist.

Maren und Ahmadjan Amini erzählen in „Ahmadjan und der Wiedehopf“ eine gemeinsam erarbeitete Geschichte.
Maren und Ahmadjan Amini erzählen in „Ahmadjan und der Wiedehopf“ eine gemeinsam erarbeitete Geschichte.
© Manfred Bogner

„Wir möchten durch den Comic an ein Afghanistan erinnern, das aus gesellschaftlicher und kultureller Vielfalt bestand“, erklären die beiden. „Wir wollen afghanische Wurzeln ehren, uns als Vater und Tochter im künstlerischen Dialog näherkommen und wollen als Künstler nicht schweigend hinnehmen, dass die Taliban erneut die Kultur Afghanistans vernichten.“ Der Band soll etwa 200 Seiten umfassen und bis Mitte 2023 fertiggestellt werden.

Ex-Tagesspiegel-Zeichner Mawil bietet auf dem Festival einen Comic-Workshop für Kinder an.
Ex-Tagesspiegel-Zeichner Mawil bietet auf dem Festival einen Comic-Workshop für Kinder an.
© Karoline Bofinger / Promo

Auch für Kinder und Familien gibt es ein umfangreiches Programm, darunter eine Bild-Klang-Lesung von Ferdinand Lutz und Dominik Merscheid zur populären Kindercomic-Serie „Q-R-T“ am Sonntag um 17 Uhr und ein Kinder-Comic-Workshop mit dem langjährigen Tagesspiegel-Zeichner Mawil am Sonnabend von 13:30 bis 17:30 Uhr.

Der Eintritt ist an beiden Tagen gratis. In den Tagen davor gibt es bereits an mehreren Orten in der Stadt ein Satellitenprogramm. Mehr Online unter comicinvasion.de/festival/2023/programm.