Zum Tod des Architekten Peter Kulka: Brückenbauer zwischen beiden Deutschlands
Mangelndes Selbstbewusstsein war wahrscheinlich nie das Problem von Peter Kulka, jedenfalls sicher nicht, seitdem der Architekt 1991 mit einem sensationellen Entwurf den Wettbewerb für den neuen Landtag in Dresden gewann. Das Parlament hatte sich entschieden, statt in den historischen Landtagsbau neben dem Schloss zu ziehen, neben dem gewaltigen Erlwein-Speichergebäude und einem banalen Bürobau der Nachkriegszeit einen Neuanfang zu wagen.
Kulka – 1937 in Dresden geboren und 1965 aus der DDR und ihrer zutiefst verachteten Zwangskultur geflohen – gab dieser Sehnsucht, die wieder gewonnene Demokratie auch zu bauen, ein Gesicht: mit einem luftigen, geradezu zarten Neubau, gläsern und durchsichtig.
Die Nähe dieses Entwurfs zum gleichzeitig entstehenden, ebenfalls in Glasfronten schwelgenden Bonner Bundestagssaal von Günter Behnisch in Bonn ist offensichtlich. Sie bestand für Kulka auch in persönlicher Hinsicht, der eine rheinische Prägung erfuhr. Zunächst wirkte er noch im West-Berliner Büro von Hans Scharoun, als dieser am Wettbewerb für die neue Staatsbibliothek und das Kulturforum arbeitete.
Seine Kirchbauten bestehen aus festen Mauern
Doch Kulka zog weiter und gründete 1969 sein eigenes Büro in Köln, der liberalen Kulturhauptstadt West-Deutschlands. Seine mit Hans Schilling entworfenen Bauten für die katholische Kirche spiegeln mit ihren weiten Höfen und festen, empfangenden Mauern den Aufbruch der Konzilszeit. Aber sie zeigen auch die Forderung nach Klarheit.
So wurde auch Kulkas Landtag nicht verspielt wie seine Bonner Schwester, sondern klarer, strenger, angemessen einer Demokratie, die noch nach ihrem Weg suchte.
Fast genau zwanzig Jahre später durfte er in Potsdam erneut einen Landtagsneubau bauen. Allerdings sollte es ein Haus aus anderem Geist werden, eher ängstlich nach dem Motto: Wir brauchen die alte Geschichte, um in der neuen Zeit zu bestehen. Den Neubau umgeben nachgebaute Fassaden des Stadtschlosses. Sie wurden allerdings begradigt und mit Fenstern im Gebälk versehen, weil der Landtag auch den Dachraum nutzen wollte.
Für Architekturpuristen war es ein Graus, für den Pragmatiker Kulka eine Nebensache. Er war ebenso stolz auf seine Maurerlehre und die Ausbildung an den Baugewerksschulen in Görlitz und Gera wie auf das Studium an der Kunsthochschule in Weissensee genau in jenen Jahren um 1960, als diese sich von den Zwängen des stalinistischen Historismus befreien und den Anschluss an den kühlen International Style suchen durfte. Kulka folgte den Wünschen der Bauherren, versuchte aber wenigstens den Plenarsaal herauszuheben aus den sonst bis zur Banalität kargen Interieurs dieses „Schlosses“.
Sein schwarzes Glashaus für den MDR neben dem Leipziger Uni-Hochhaus demonstrierte dagegen, wie eine Architektur öffentlicher Institutionen auch aussehen kann. Der Umbau des Residenzschlosses in Dresden verbindet grandios Tradition und Zukunft, seine Sammlungsinszenierungen der Türkenkammer und der Rüstkammer zeigen, was aus dem Berliner Humboldtforum hätte werden können.
Mit Kulka ließ sich lachen und streiten
Mit Kulka ließ sich prächtig streiten, über das Leben und die Kunst. Seit 1995 war er Mitglied der Kunstkommission Dresdens, 1996 begründete er die Sächsische Akademie der Künste mit, wurde Mitglied der Berliner Akademie. Der Architekt suchte den Widerstand, um sein Werk gedeihen zu lassen. Er war ein Mann, der herzhaft und laut lachen, aber auch giftig gegen jene sein konnte, die er als Aufschneider betrachtete. Nicht nur im kantigen Äußeren war er ein Charakterkopf und für seine Auftraggeber wie Kollegen ebenso anstrengend wie inspirierend.
Peter Kulka starb am 5. Februar im Alter von 86 Jahren in seinem Haus in Dresden-Friedrichstadt. Als Architekt schlug er Brücken zwischen beiden Deutschlands wie kaum ein anderer seines Metiers.