Bödecker ist nicht der einzige fragwürdige Mäzen des Humboldt Forums
Gibt das Humboldt Forum jetzt auch das Geld des antidemokratischen Großspenders Ehrhardt Bödecker zurück? „Diese Diskussion führt der Stiftungsrat“, heißt es seitens der Stiftung Humboldt Forum. Das Geld ist verbaut, also müsste der Bund, sprich: der Steuerzahler einspringen, sollte die Diskussion auf eine Rückgabe hinauslaufen. Wobei sich der Rat mit Vertretern unter anderem aus Bund und dem Land Berlin nach den Wahlen erst einmal neu konstituieren muss.
Wie berichtet, wird die Ehrentafel für Bödecker entfernt, nachdem dessen antidemokratische, auch antisemitische Äußerungen über einen Tagesspiegel-Artikel des Architekturhistorikers Philipp Oswalt öffentlich wurden. Das soll nach Auskunft der Stiftung in den nächsten Tagen geschehen. Ein unabhängiges zeithistorisches Institut wird dem nicht ganz einfachen Fall Bödecker nachgehen – seine Ehefrau steht mit auf der Tafel, sie hat sich in den letzten Jahren unter anderem bei der Flüchtlingshilfe engagiert. Derzeit werden Gespräche geführt, einen Auftrag gibt es noch nicht.
Wie steht es um die anderen Großspender?
Mit der Frage, wie es um die elf anderen mit Medallions gewürdigten Großspender und Spenderpaare bestellt ist, die eine Million Euro und mehr überwiesen, wird die Stiftung sich weiter befassen. Was ist etwa mit Rudolf-August Oetker, der sich zeitlebens gegen die Aufarbeitung der NS-Verstrickung seines Unternehmens gewehrt hatte?
Die Großspende datiert dem Vernehmen nach aus der Zeit nach seinem Tod 2007, sie erfolgte über die gleichnamige Kunst- und Kulturstiftung. Alles in Ordnung? Dass aktuelle Rechtsextreme und Revanchisten als Spender fragwürdig wären, ist klar. Aber welches Geld aus deutschem Firmenerbe ist unbelastet, welches nicht? Welche Ehrentafeln in welchen deutschen Kultureinrichtungen stehen demnächst zur Debatte?
[Preußentum und Antisemitismus: Ehrt das Humboldt Forum einen Mäzen mit rechtsradikaler Gesinnung? Lesen Sie den Gastbeitrag von Philipp Oswalt, der die Diskussion ausgelöst hat, auf Tagesspiegel Plus]
Beim Humboldt Forum ist da auch noch die Liste der 96 Spender:innen, die jeweils über 100 000 Euro bereitstellten und die in Portal 2 gewürdigt werden. Hinzu kommt die 45 000 Namen umfassende Liste aller Spender, die genannt werden wollen, zu finden etwa auf der Webseite des Fördervereins Berliner Schloss.
Die Forderung nach Transparenz ist kaum zu erfüllen
Nun gibt es keinen Grund, Schloss- Mäzene pauschal einer rechtsnationalen oder revanchistischen Gesinnung auch nur zu verdächtigen. Längst nicht alle sind Preußen-Fans, viele schmerzte einfach die bauhistorische Wunde in der Mitte Berlins. Kulturfreunde, Architekturenthusiasten, Liberale, das Spektrum ist groß. Das Bundes-Großprojekt Schloss bezieht einen Teil seiner demokratischen Legitimierung ja gerade aus dieser Einbindung der Bürgerschaft, aus ihren über 100 Millionen Euro für den Fassadenschmuck, die Portale und die Kuppel.
Was ist mit den anonymen Sponsoren? Die Forderung nach Transparenz ist kaum zu erfüllen. Denn die von Wilhelm von Boddiens „Förderverein Berliner Schloss“ auf Wunsch zugesicherte Anonymität ist auch gegenüber der Stiftung garantiert. Nur dem Verein sind sämtliche Namen bekannt, dem Stiftungsrat gegenüber ist er nicht auskunftspflichtig.
„Wir haben auf bürgerliche Reputation geachtet“, so von Boddien gegenüber der „Berliner Zeitung“. Damit musste die Stiftung sich bisher wohl begnügen. Wer zum Beispiel die Kuppel finanziert hat, weiß auch der Stiftungsrat nicht, er kennt nicht einmal das Volumen des anonymen Spendenaufkommens. Sagt jedenfalls die Stiftung. Es ist davon auszugehen, dass von Boddien nun mit einer gewissen Dringlichkeit um Informationen gebeten wird.
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Entscheidungen abseits demokratisch legitimierter Gremien
Der Fall Bödecker macht deutlich, mit welcher Hypothek das Schloss belastet ist. Der konservative frühere Hamburger Kaufmann Wilhelm von Boddien wird für die Großspender auch seine eigenen Netzwerke bemüht haben, in der Hansestadt und anderswo. Und der Förderverein, der sich den Schloss-Wiederaufbau auf die Fahnen geschrieben hatte und naturgemäß nicht neutral ist, sondern interessengesteuert ist, existierte lange vor der Installierung der Stiftung durch den Bund. Die agierte außerdem zunächst als reine Baustiftung. Inhaltliches kam erst mit der Gründungsintendanz unter Neil MacGregor ab 2015 auf deren Agenda.
Deshalb fielen Entscheidungen während des Baus auch abseits demokratisch legitimierter Gremien. Etwa die für die Widmung von Inga-Maren Otto an ihren verstorbenen Mann auf dem Reichsapfel unter dem Kuppelkreuz. Die „Teilprivatisierung“ des Humboldt Forums sorgte für Irritationen. Und die privat finanzierte Kuppel-Inschrift („… dass im Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind“) für heftigen Streit.
Es ist ein wenig wie mit den Ethnologischen Sammlungen und dem Kolonialismus: Die Ursachen der Dilemmata gehen auf die Anfänge des Humboldt Forums zurück. Mit dem Entfernen einer Tafel lässt sich die Schieflage bei der Zusammenarbeit des Humboldt Forums mit der Privatinitiative Förderverein jedenfalls nicht geraderücken.