Schwieriger Spagat vor dem Stadtduell

An das Derby vor knapp einem Jahr erinnert sich Niklas Stark am liebsten zurück. Zwar sei es ein Geisterspiel gewesen, „aber nach dem Schlusspfiff hat es sich angefühlt, als wenn wir Menschen damit erreicht haben“, sagt der Abwehrspieler von Hertha BSC über den 3:1-Sieg gegen den 1. FC Union an einem kalten Dezemberabend im Olympiastadion.

Stark war bisher bei drei von vier Derbys in der Fußball-Bundesliga gegen Union dabei, verletzungsbedingt gefehlt hatte er bei Herthas 4:0 im Mai 2020. Am Samstag (18.30 Uhr, live bei Sky) kommt es zum nächsten Aufeinandertreffen. Erst zum zweiten Mal dürfen Zuschauer dabei sein, gut 22.000 Fans sind nach einer Entscheidung der Senatsverwaltung für Inneres und Sport unter 2G-Bedingungen zugelassen, das Stadion An der Alten Försterei wird komplett ausgelastet sein.

Das sorgt vielerorts für Unverständnis, da die Corona-Zahlen rapide steigen. Am Mittwoch lag die Inzidenz in Berlin bei 339, am Tag des Geisterspiels im Dezember 2020 bei 184.

„Unser Ziel bleibt auch weiterhin die Durchführung von Sportveranstaltungen vor Publikum mit möglichst wirksamen Infektionsschutzmaßnahmen“, sagt Unions Geschäftsführer Oskar Kosche. Und Thomas Herrich, Mitglied der Geschäftsleitung von Hertha BSC, sagt: „Wir freuen uns auf ein Derby vor bestmöglicher und stimmungsvoller Kulisse, ohne dabei die pandemische Lage aus den Augen zu verlieren.“

Diese ist das beherrschende Thema rund um das Spiel – und darüber hinaus: Am Mittwoch hat Hertha mitgeteilt, dass die für den 28. November als Präsenzveranstaltung geplante Mitgliederversammlung auf einen späteren, noch nicht feststehenden Termin verschoben wird, sie wird dann virtuell durchgeführt.

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Bei Union herrscht bislang Zurückhaltung in Sachen Derby. Verteidiger Paul Jaeckel etwa gibt sich ganz gelassen und begründete dies in der „Märkischen Allgemeinen Zeitung“ wie folgt: „Für mich ist es das erste Stadtderby, deshalb ist das bei mir vielleicht weniger ausgeprägt, auch wenn ich hin und wieder schon auf die Ergebnisse von Hertha schiele.“

Hertha hatte mit einer Aktion Anfang der Woche für ein wenig Derby-Atmosphäre gesorgt. Der Verein hatte 300 Werbeflächen in der Stadt gebucht, auf denen die Vereinsfarben blau und weiß zu sehen waren – eine der Werbeflächen befindet sich direkt vor Unions Stadion. Niklas Stark spürt bereits Spannung vor dem Stadtduell. Er erwartet ein Kampfspiel und ein „geiles Derby. Da wird schon was abbrennen da drüben.“

Allerdings ist es auch für ihn ein Spagat: Zum einen die Freude über das ausverkaufte Stadion, zum anderen habe „man schon ein bisschen im Hinterkopf, dass die Zahlen rasant nach oben gehen. Daher ist es ein bisschen komisch. Es ist jedoch nicht unsere Entscheidung, ob das Stadion voll oder leer ist. Wir müssen den Fokus voll auf unseren Job legen.“

Hertha BSC hat die Gegentorquote deutlich gesenkt

Den haben Herthas Profis zuletzt erfolgreicher ausgeübt als in der Frühphase der Saison. Abgesehen von der Niederlage bei der TSG Hoffenheim, waren in jedem der vier zurückliegenden Bundesligaspiele Fortschritte zu erkennen. Hertha steht weiterhin bei den zweitmeisten Gegentoren der Liga nach Schlusslicht Greuther Fürth, hat die Gegentorquote aber weit nach unten gesenkt.

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„In den letzten Spielen haben wir eine gewisse Kompaktheit an den Tag gelegt. Daran gilt es festzuhalten“, fordert Stark, der am Samstag wegen der Rotsperre von Dedryck Boyata Kapitän sein wird: „Wenn wir unser Spiel durchziehen, unsere Stärken ausspielen, dann werden wir auch da Punkte holen.“

Das wäre aus mehreren Gründen wichtig. Beispielsweise ganz schlicht mit Blick auf die tabellarische Situation. „Wir wissen, wo wir in der Tabelle stehen“, sagt Stark. Nämlich auf Rang 13, fünf Plätze hinter dem 1. FC Union, der seit dem dritten Spieltag der Saison 2020/21 dauerhaft vor Hertha rangiert. Seit über 13 Monaten. Daran würde sich auch bei einem Sieg von Hertha aktuell nichts ändern. Doch nicht zuletzt für die Gefühlslage der Fans wäre es äußerst wertvoll.

Starks Vertrag läuft am Ende der Saison aus, der 26-Jährige ist seit 2015 in Berlin. Im vergangenen Sommer hatte er in einem Interview mit dieser Zeitung gesagt, er könne sich durchaus vorstellen, bis zum Ende seiner Karriere in Berlin zu bleiben. Sportdirektor Arne Friedrich hatte deutlich gemacht, dass der Klub gern mit ihm verlängern will. Vor einigen Wochen meldete der „Kicker“ dann, dass die Gespräche erst einmal ausgesetzt worden seien. Stark sagte dazu am Mittwoch nur: „Es ist Derby-Woche. Da geht kein Gedanke irgendwo anders hin.“