Rembrandts Amsterdam: Eine Ausstellung beleuchtet die Schattenseiten des Reichtums

Geschäftig beugen sich zwei Damen in edlen schwarzen Kleidern mit weißen Kragen über ein Rechnungsbuch, ein vornehmer Mann mit einem Brief in der Hand wendet sich ihnen zu, während die vierte Person im Vordergrund den Betrachter direkt anschaut. Bartholomeus van der Helst hat 1650 diese Regentinnen und Regenten des sogenannten Spinhuis (Spinnhauses) in Amsterdam porträtiert, wahrscheinlich in deren Auftrag.

Bartholomeus van der Helst, „Zwei Regentinnen und zwei Regenten des Spinhuis“, 1650

© Amsterdam Museum, Amsterdam

Ein Spinnhaus war eine Einrichtung des Strafvollzugs und sollte zur Resozialisierung der Inhaftierten dienen. Im Hintergrund kann man erkennen, wie eine Aufseherin den Insassinnen mit dem Pantoffel droht, während hinter einer Stellwand Touristen aus dem protestantischen Nordeuropa diese vorbildliche Einrichtung besichtigen.

Das Gruppenbild ist typisch für die Niederlande des 17. Jahrhunderts, als die protestantische Republik zu Macht und Reichtum gekommen war.

Ein umstrittener Begriff

Noch vor zehn Jahren hätte man dieses Gemälde ohne Bedenken dem sogenannten „Goldenen Zeitalter“ der Niederlande zugeschrieben, doch der Begriff ist mittlerweile heftig umstritten. So nennt das Städel Museum in Frankfurt am Main seine Ausstellung zum 750. Gründungstag der Stadt Amsterdam „Rembrandts Amsterdam. Goldene Zeiten?“.

Zu sehen sein wird die Ausstellung ab dem 27. November. Kooperationspartner ist das Amsterdam Museum, das derzeit wegen eines Neubaues geschlossen ist. So bot sich die einmalige Chance, die Regentenbilder aus dessen Beständen für diese Ausstellung nach Frankfurt zu holen.

Und es war das Amsterdam Museum, das 2019 nach öffentlichen Protesten gegen eine Ausstellung der Regentenbilder des „Goldenen Zeitalters“ beschloss, den Begriff nicht mehr zu verwenden. Der Reichtum Amsterdams basierte auf kolonialer Expansion, Plantagenwirtschaft und Sklavenhandel, und die Nachfahren derer, die unter dieser Politik gelitten hatten, fanden diese Epoche keineswegs „golden“.

„Der Begriff ,Goldenes Zeitalter’ wurde erfunden, um die nationale Identität der Niederlande zu vergolden, um das ,kultivierte Holländertum‘ in einen Mantel der Exzellenz – ja der Überlegenheit – gegenüber allen anderen Nationen zu kleiden“, schreibt Tom van der Molen, Kurator des Amsterdam Museums, 2019 im Online-Magazin „Codart“. „Das bedeutet“, so van der Molen, „dass ,Goldenes Zeitalter‘ ein Begriff ist, der bestimmte Menschen automatisch ausschließt.“

Der Bau des Amsterdamer Rathauses am Dam im Jahr 1656, Gemälde von Johannes Lingelbach (ca. 1622 – 1674)

© Amsterdam Museum, Amsterdam

Das Städel versucht in seiner Ausstellung, der gewandelten Rezeption gerecht zu werden, indem man diese Regentenbilder genauer kontextualisiert. „Regenten waren die Vorsteher karitativer und auf Wiedereingliederung ausgerichteter öffentlicher Einrichtungen, die nach der Vertreibung der Katholiken ab 1590 eine neue Sozialpolitik vertraten“, sagt Jochen Sander, Sammlungsleiter Deutsche, Holländische und Flämische Malerei vor 1800 und stellvertretender Direktor des Städel Museums.

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Es sei nicht einfach, die Schattenseiten des 17. Jahrhunderts auszustellen, da viele Personen damals als nicht bildwürdig angesehen wurden. Berühmt ist „Die Anatomiestunde von Dr. Jan Deijman“ von Rembrandt, bei der der Sektionsarzt das Hirn des Toten öffnet.

Rembrandt van Rijn, „Anatomische Lektion van Dr. Jan Deijman“, 1656

© Amsterdam Museum, Amsterdam

„Ärzte ließen sich gerne auf Gruppenbildern darstellen. Alle Ärzte auf dem Bild sind identifiziert, doch wer ist die Leiche?“, fragt Sander. Die Sektion einer Leiche gehörte damals zum verschärften Todesurteil, das die Zerstückelung der Leiche vorsah.

Unsterblich gemacht hat Rembrandt auch die 18-jährige dänische Migrantin Elsje Christiaens, die im Affekt ihre „Schlafmutter“, bei der sie untergekommen war, mit der Axt erschlagen hatte. Weil sie das Todesurteil nicht annahm, wurde sie öffentlich erdrosselt und auf dem Galgenfeld vor der Stadt aufgehängt.

Seine realistische Zeichnung der toten Elsje machte diese unsterblich und ist ein seltenes Abbild der harten Seite der Epoche. So versucht die Ausstellung, die Schattenseiten des gar nicht so goldenen Zeitalters aufzuzeigen und so einen neuen Blick auf diese dennoch spannende Epoche zu werfen.