„Dumb Money – Schnelles Geld“ im Kino: Das Geld der kleinen Leute

Die Zeit, als Menschen sich Anlagetipps von einem Keyboard-Ninja im Katzen-T-Shirt holten, liegt noch gar nicht so lange zurück. Eine verrückte Zeit war das, die Bilder von leeren Straßenzügen, leergeräumten Supermarktregalen und Balkonkonzerten in Solidarität mit heroischen Pflegekräften an der „Gesundheitsfront“ hervorbrachte.

Vielleicht aber steht der Finanzanalyst Keith Gill, in der Satire „Dumb Money – Schnelles Geld“ von Paul Dano gespielt, exemplarisch für die verquere Gefühlslage im ersten Jahr der Pandemie.

David gegen Goliath

Mit Stirnband, umgeben von Katzen-Paraphernalien teilte Gill ab Ende 2019 aus dem Keller eines Einfamilienhauses irgendwo in Massachusetts seine Privatobsessionen mit einem Videogame-Shop mit der anonymen Gemeinde des World Wide Web: im Hintergrund die Excel-Tabellen seines Aktienportfolios und die Fieberkurven des Börsenmarktes. Damit wurde der Youtube-Influencer zum Internetphänomen Roaring Kitty, der sein ganzes Privatvermögen auf ein Unternehmen der old economy setzte.

Damals saßen die Menschen zu Hause vor dem Rechner, allein, mit zu viel Zeit. Die einzige Möglichkeit, mit anderen zu interagieren, waren ein gelegentlicher Besuch im Supermarkt und in obskuren Onlineforen – wie WallStreetBets, wo sich die GenZ und die ökonomisch Abgehängten (außerdem ein Haufen Trolle) trafen, um denen „da oben“ (den Pandemie-Gewinnern in den Finanzmärkten) eins auszuwischen.

In Deutschland kam der kurze Börsenhype um die Einzelhandelskette Gamestop Anfang 2021, als ihr Aktenwert nach erratischen Aktivitäten von Kleinanlegern kurzzeitig um astronomische 2000 Prozent stieg, allenfalls als kuriose Randnotiz in einer ohnehin schon irren Zeit an. In den USA dagegen hätte man kurz das Gefühl haben können, dass die Revolution unmittelbar bevorstünde.

The Antisocial Network

Das Motto „Apes Together Strong“, ein Zitat aus dem Film „Planet der Affen“, wurde zum geflügelten Meme. Sehr viel Kleingeld von Privatanlegern forderte die skrupellosen Millionen von Hedgefonds und Großinvestoren heraus, die mit sogenannten Leerverkäufen gegen die Börse – beziehungsweise auf den Kursabsturz der Aktie – wetteten. David gegen Goliath.

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Die Ironie bestand seinerzeit darin, dass das Geschäftsmodell von Gamestop, der Verkauf und Verleih von Videospielen, schon vor der Pandemie aus der Zeit gefallen schien. Etwa so, als hätte man 2009, kurz vor dem Unternehmenskonkurs, noch auf Aktien der Videothekenkette Blockbuster gesetzt – statt sich bei Netflix einzukaufen.

Die feixenden Gesichter von Seth Rogen und Nick Offerman, wenn sie sich nach einem Tennismatch im Privatclub über die mittelständischen Kleinanleger (die mit dem titelgebenden „dummen Geld“) lustig machen, finden am Ende von „Dumb Money“ eine Entsprechung in der Zoom-Anhörung der echten Hedgefonds-Manager Gabe Plotkin und Ken Griffin vor dem US-Kongress, in der sie sich Anfang 2021 zu geheimen Absprachen und Kursmanipulationen erklären mussten.

Schadenfreude billig zu haben

Regisseur Craig Gillespie („I, Tonya“) lässt keinen Zweifel, auf wessen Seite er mit seiner Verfilmung von Ben Mezrichs Sachbuch „The Antisocial Network“ steht. Die Komiker Rogen und Offerman geben ein grandios derangiertes Paar hoffnungslos von sich selbst überzeugter Bösewichter ab.

Die Hedgefonds-Manager Gabe Plotkin (Seth Rogen) und Ken Griffin (Nick Offerman) machen sich über das „dumme Geld“ der Kleinanleger lustig.
Die Hedgefonds-Manager Gabe Plotkin (Seth Rogen) und Ken Griffin (Nick Offerman) machen sich über das „dumme Geld“ der Kleinanleger lustig.

© LEONINE Studios

Sebastian Stan und Rushi Kota als Broker, die mit ihrer Plattform Robinhood den kleinen Leuten Zugang zum Casinokapitalismus ermöglichen wollten („darum ging es bei ‘Occupy Wall Street’“), verkörpern sozusagen das Gegenteil der Wölfe der Wall Street. In „Dumb Money“ werden die Finanz-Protagonisten kümmer- und lächerlicher, je näher die Kamera an sie herantritt. Auch ihre Bankkonten, gut sichtbar neben ihren Namen eingeblendet, schrumpfen minütlich.

Helden, wenn es sie denn in dieser Geschichte überhaupt gibt, sind neben Paul Danos naivem Aktien-Aktivisten Keith die vielen Privatanleger, die sich als Teil einer Revolution wähnen – und darum an ihren Gamestop-Anteilen festhalten, als der Kurs durch die Decke geht. Womit sie Leerverkäufer wie Plotkin und Griffin an den Rand des Ruins bringen. Die Schadenfreude ist in „Dumb Money“ billig zu haben.

Aber erst die Geschichten der Pflegerin Jenny (America Ferrera) oder der Studentinnen Riri (Myha’la Herrold) und Harmony (Talia Ryder), die mit dem Casinogeld bloß ihre Studienschulden abbezahlen wollen, geben dem Drehbuch von Lauren Schuker Blum und Rebecca Angelo eine Moral. Selbst wenn sich der „David gegen Goliath“-Plot wieder nur nach den Regeln des Marktes entspinnt. Das Fazit ist ambivalent: Auch das „dumme Geld“ kann keine Schwarmintelligenz entwickeln. Aber es fließt wenigstens in die richtge Richtung.