Die Verzweiflung des Steve Kerr

Pressekonferenzen von Profitrainern sind eine Plattform, die mitunter für die falschen Themen genutzt werden. Liverpools Fußballtrainer Jürgen Klopp hat vor einiger Zeit darauf hingewiesen, als er nach seiner Meinung zum Coronavirus befragt wurde. „Menschen wie ich, ohne das nötige Wissen, sollten nichts sagen“, antwortete Jürgen Klopp, „meine Meinung ist wirklich unwichtig.“ Vielmehr sollten sich echte Experten zu einem solchen Thema äußern, Virologen, Epidemiologen.

Anders verhält es sich jedoch, wenn es um gesellschaftliche oder politische Themen geht, denn Profitrainer und Profitrainerinnen sind immer auch ein Teil der Gesellschaft, und zwar ein sehr prominenter. Manchen Zuschauern und Fans mögen ihre politischen Einstellungen Orientierung bieten, andere mögen sich daran reiben. Besonders glaubwürdig sind sie, wenn sich politisches Interesse mit persönlicher Erfahrung paart, „Expertise“, wenn man so will. So wie bei Steve Kerr.

[Mehr guten Sport aus lokaler Sicht finden Sie – wie auch Politik und Kultur – in unseren Leute-Newslettern aus den zwölf Berliner Bezirken. Hier kostenlos zu bestellen:leute.tagesspiegel.de]

Der Basketballtrainer des NBA-Klubs Golden State Warriors hat unmittelbar nach dem Amoklauf an der Schule in Uvalde in einer zweieinhalb Minuten langen hochemotionalen Rede an 50 US-Senatoren appelliert, doch endlich ihre Blockadehaltung aufzugeben und den Zugang zu Waffen in den USA zu erschweren. „Wann werden wir etwas dagegen tun?“, rief Kerr ins Mikrofon, „ich bin die Gedenkminuten leid, Schluss damit!“ Seine Verzweiflung und Betroffenheit nach dem grausamen Tod von Kindern und Lehrern spiegelte sich zu jeder Sekunde in seinem Gesicht wider.

Denn Steve Kerr hat selber seinen Vater durch ein Verbrechen verloren. Sein Vater Malcolm Kerr, der Rektor der American University von Beirut, ist 1984 im Libanon von zwei bewaffneten Attentätern der Terrorgruppe „Islamischer Dschihad“ erschossen worden. Steve Kerr war damals 18 Jahre alt. Jahre später nach einem weiteren der viel zu vielen Amokläufe an US-Schulen sagte er: „Ich weiß, wie sich das anfühlt.“

Das ist es, was seine zweieinhalbminütige Pressekonferenz so wirkmächtig macht: Die glaubwürdige Betroffenheit des ehemaligen Meistertrainers und Meisterspielers von den Chicago Bulls und San Antonio Spurs, der sich schon früher politisch engagiert hat, zum Beispiel gegen den Ex-Präsidenten Donald Trump. Genau deshalb ging das Video nach der Wahnsinnstat in den Sozialen Netzwerken viral, sahen Menschen millionenfach seinen verzweifelten Appell. Seine Botschaft, da kann sich Steve Kerr sicher sein, wurde gehört.

Jetzt muss sich etwas ändern.