Pressehaus am Alex: Späte Hilfe für die Ost-Moderne
Als Axel Springer 1966 sein Verlagshochhaus an der Kochstraße unmittelbar an die Sektorengrenze rückte, also von „drüben“ gut sichtbar, wurde das in Ost-Berlin als Provokation empfunden. Und es war wohl auch so gemeint. Als Antwort darauf entstand das 1970-73 an der Karl-Liebknecht-Straße erbaute Haus des Berliner Verlags.
Sein Architekt Karl-Ernst Swora (1933 – 2001) gehörte zu den Generalplanern der Hauptstadt und zu den wichtigsten Protagonisten der später „Ostmoderne“ genannten DDR-Architektur jenseits des Plattenbaus. Die Ungarische Botschaft und später das Charité-Klinikum, das Haus der Sowjetischen Wissenschaft und Kultur an der Friedrichstraße sowie der Hauptbahnhof (heute Ostbahnhof) gehen auf ihn zurück.
Antwort auf die Springer-Zentrale
Das Haus des Berliner Verlags fügte sich einerseits in das städtebauliche Hochhausscheibenensemble rund um den Alexanderplatz ein, setzte aber mit dem angefügten Treppenturm, der vom ringförmig Werbeschriftzug „Berliner Verlag“ bekrönt wurde, sowie dem kühn vorkragenden, mit einem farbigen Fries geschmückten Pressecafé ein signifikantes Zeichen. Mit seiner im Vergleich zu den Nachbargebäuden differenzierten Fassade, mit seiner Zeichenhaftigkeit und seiner kultur- und politikhistorischen Bedeutung erfüllt es die Kriterien als Baudenkmal. Dennoch galt es in der Ära des Senatsbaudirektors Stimmann als Abrisskandidat und wurde erst 2015 unter Denkmalschutz gestellt.
Spielball der Investoren
Da war es eigentlich schon zu spät. Bereits 1996 hatte sich der Medienkonzern Gruner + Jahr, der den Berliner Verlag nach der Wende übernommen hatte, der wartungsintensiven Fassade entledigt und das Erdgeschoss umgeformt. Verlag und Investment blieben jedoch glücklos. 2016 erwarb der amerikanische Investor Tishman Speyer Properties das Haus, um es nach Leerstand und Zwischennutzung einer neuerlichen Sanierungskampagne zu unterziehen. Dabei sollte anstelle rückwärtiger Nebengebäude ein Anbau entstehen. Doch wie bei derartigen Investitionen so üblich, wechselte der Eigentümer bereits vor Abschluss des Projekts. Die German Estate Group GEG aus Frankfurt steht zurzeit im Grundbuch. Sie gehört zum Portfolio der DIC Asset AG.
Immerhin, das mit Sanierung und Anbau beauftragte Architekturbüro von Gerkan, Marg und Partner gmp hatte durchgängig Tishman Speyer als Bauherr und Ansprechpartner. Und die amtliche Denkmalpflege, die sich plötzlich sehr intensiv des Objekts annahm, nachdem sie 15 Jahre lang geschlafen hatte. So wurde der private Bauherr angewiesen, den zum Grundstück gehörenden Gehweg mit eigens nachproduzierten originalgetreuen Platten zu belegen.
Doch die Kompetenz reichte offenbar nicht aus, das Bezirksamt zu veranlassen, den zur öffentlichen Straße gehörenden, vielfach geflickten Gehwegstreifen des einheitlichen Erscheinungsbildes wegen ebenfalls zu erneuern. Zur Abstimmung der Fassade des rückwärtigen Neubauteils – er steht am Rand des denkmalgeschützten Scheunenviertels und orientiert sich deshalb an dessen Struktur und Traufkanten – waren 17 Ortstermine mit der Denkmalpflege vonnöten. Tishman Speyer wollte, wie amerikanische Investoren eigentlich immer, glatte Ganzglasfassaden. Die Architekten antworteten mit einem vorgesetzten vertikalen Lamellensystem, das den Baukörper in der Schrägsicht als massives Gebäude erscheinen lässt und mit der Nachbarschaft harmoniert.
Unsichtbare Dachterrasse
Auch an der Fassade des Hochhauses konnten sie sich durchsetzen und simulierten die bauzeitliche architektonische Erscheinung, die 1996 verloren gegangen war, durch ein vorgehängtes Konstrukt aus stählernen horizontalen Elementen und Vertikalprofilen aus Aluminium. Zu dieser Interpretation der ursprünglichen architektonische Idee konnten sich Bauherr und Denkmalpfleger durchringen.
Eine für die Büromieter nutzbare Dachterrasse war dem Bauherrn extrem wichtig. Sie durfte aber nicht als solche in Erscheinung treten. Die gläserne Brüstung wurde entsprechend zurückgesetzt. Die großartige Rundumsicht ist naturgemäß bei den Mietern beliebt für Pausen und Telearbeit.
Ein Fries kommt zum Vorschein
Der zweigeschossige Vorbau mit Freitreppenzugang war als weithin sichtbares Pressecafé gebaut worden. Die Fassade über dem Fensterband schmückte der Maler und Grafiker Willi Neubert (1920 – 2011) mit einem umlaufenden Monumentalfries, „Die Presse als Organisator“ darstellend. Der Fries aus Emaille auf Edelstahlplatten war zuletzt hinter einer Verkleidung verschwunden, auf dem großflächig schreierisch Werbung für das spanische Grillrestaurant Escados gemacht wurde. Bei der Sanierung wurden der Fries und der originale Schriftzug „Pressecafe“ wieder ans Tageslicht geholt, instand gesetzt und die Natursteinfassaden erneuert. Ein Café soll wieder einziehen.
Die oberen Etagen das Hochhauses sind als Büros vermietet. Auch der Berliner Verlag hat wieder eine Etage bezogen. Der rückwärtige Anbau entlang der Hirten- und der Rosa-Luxemburg-Straße spricht mit seiner Lamellenfassade eine ähnliche Sprache und tritt mit dem Hochhaus in den Dialog. Er bietet „Work Space Unternehmen“ alles, was für Share-Space-Büros und Co-Working an flexiblen, permanenten oder temporären Räumen mit Café, Sky Lounge und anderen Annehmlichkeiten benötigt wird.
Als „Pressehaus am Alexanderplatz“ firmiert das einstige Haus des Berliner Verlags heute, frisch renoviert und – fast – im alten Outfit. Mit seinem friesgeschmückten Café grüßt es hinüber zum im gleichen Geist der Ostmoderne entstandenen Haus des Lehrers, das mit der Kongresshalle den Stadtraum des erweiterten Alexanderplatzes nach Süden abschließt. Beide Inkunabeln der DDR-Architektur sind aufwendig denkmalpflegerisch ertüchtigt worden und halten die Erinnerung an die Hauptstadtarchitektur der DDR wach. Was dazwischen geschieht, beim Haus der Statistik, bei den geplanten neuen Hochhäusern rings um den Alexanderplatz, bleibt auch 34 Jahre nach dem Mauerfall in der Schwebe.