Das Buch zum Rad

18.000 Kilometer, kein Ruhetag

Jonas Deichmann, Jahrgang 1987, ist ein Extremsportler, wie er im Buche steht. Die Idee zur Tour vom Nordkap nach Kapstadt kommt ihm, als er gerade 23.000 Kilometer auf der Panamericana runterreißt. Dagegen müssten die schlappen 18.000 Kilometer von Norwegen nach Südafrika doch eine reine Spazierfahrt sein, denkt sich Deichmann. Den bisherigen Weltrekord – 102 Tage – will er um vier Wochen unterbieten. Sein Plan: 250 Kilometer täglich bei Tempo 25, kein Ruhetag.

“Cape to Cape. In Rekordzeit mit dem Fahrrad vom Nordkap bis nach Südafrika” von Jonas Deichmann u.a., 160 Seiten, 29,90 EuroFoto: Promo

Doch die erwartete Spazierfahrt erweist sich schnell als “Tour der Probleme”. Klirrende Kälte in Norwegen, LKW-Smog im Iran, Sandstürme im Sudan. Der schön gestaltete Band lebt, neben den kurzweiligen Texten, von opulenten Bildern skandinavischer Seen, kaukasischer Bergketten und afrikanischer Wüsten – und dazwischen immer wieder Deichmann, wie er auf den Triathlon-Lenker gestützt unermüdlich Pistenkilometer abspult.
Cape to Cape von Jonas Deichmann, Philipp Hympendahl und Tim Farin, Delius Klasing 2020, 160 Seiten, 29,90 Euro

Königin der Pedale
Ihre Familie hätte es lieber gesehen, wenn sie Näherin geworden wäre. Doch Alfonsina Strada wurde Radrennfahrerin – und nahm 1924 am legendären Giro d’Italia teil, verkleidet als Mann. Der spanische Illustrator und Autor Joan Negrescolor erzählt ihre bewegte Geschichte in diesem Kinderbuch mit nicht einmal 200 Worten, dafür mit ausdrucksstarken Zeichnungen.

Etwa, wenn die junge Alfonsina 1901 im Alter von zehn Jahren mit ihrem neuen Fahrrad über den Marktplatz von Castelfranco Emilia rollt und die Leute ihr “Bengel” nachrufen.

“So schnell wie der Wind. Die Geschichte von Alfonsina Strada” von Joan Negrescolor, 48 Seiten, 14,90 EuroFoto: Promo

Oder wenn sie als Junge verkleidet der Welt entgegenruft: “Ich, Alfonsina, werde Radrennfahrerin!” Negrescolor schafft es, in seinen dynamischen und teils abstrakten Zeichnungen das Gefühl des Aufbruchs einzufangen, den Mut eines Mädchens, das sich den gesellschaftlichen Konventionen widersetzt – durch Radfahren.

So schnell wie der Wind von Joan Negrescolor, Kleine Gestalten 2020, 48 Seiten, 14,90 Euro

Denker am Lenker

Sind Radrennfahrer gedankenlose Maschinen, nur auf Leistung getrimmt und ohne geistiges Innenleben? Nun, die Teilnehmer dieser besonderen Tour de France sicher nicht. Guillaume Martin lässt nämlich Philosophen gegeneinander antreten: Sokrates und Aristoteles, Kant und Marx, Pascal und Spinoza.

“Sokrates auf dem Rennrad. Eine Tour de France der Philosophen” von Guillaume Martin, 204 Seiten, 29,90 EuroFoto: Promo

Philosophie und Radsport – der Autor ist bei beidem Insider. Auf der letztjährigen Tour de France wurde er Elfter und im Philosophiestudium fand er das Personal für dieses Buch: Sigmund Freud erkennt, dass Leiden zur Droge werden kann, und sieht im Rennen ein masochistisches Vergnügen.

[Dieser Artikel stammt aus dem neuen Magazin “Tagesspiegel Radfahren 2021”. Jetzt hier bestellen!]

Blaise Pascal, für den Stillstand Tod bedeutet, trainiert auch an freien Tagen. Marx will die namenlosen Fahrer organisieren, um die Vorherrschaft der Sprinterteams zu brechen. Am Ende der Tour sind die Denker am Lenker schon ganz auf die nächste fixiert. In Anlehnung an Albert Camus’ Sisyphos-Zitat schreibt Martin: “Man muss sich diese Radrennfahrer als glückliche Menschen vorstellen.”

Sokrates auf dem Rennrad von Guillaume Martin, Covadonga 2021, 204 Seiten, 29,90 Euro

Straßen, aus denen die Träume sind

Schon die Lektüre dieses Buchs ist schweißtreibend. Für “Cyclist Ride” sind die Rennradfreaks des britischen “Cyclist”-Magazins die aus ihrer Sicht großartigsten Straßenrouten der Welt abgefahren. Sie haben sich den Flüelapass in der Schweiz hochgequält und Bergstraßen in den Pyrenäen oder im Himalaya.

“Cyclist – Ride. The greatest cycling routes in the world”, 224 Seiten, 24 EuroFoto: Promo

Ihre Texte sind eine Mischung aus Erfahrungsbericht und Routenbeschreibung, die Bilder teils spektakuläre Beweisfotos – für die Härte der Touren und die Grandesse der Landschaften, die schottischen Highlands oder atemberaubenden Serpentinenpisten der Alpen.

Die meisten der “Rides” liegen in Europa, was den Nutzwert erhöht. Etwas mehr Reiseführer hätte dennoch gutgetan. Schematische Karten skizzieren nur grob, wo die Strapazen stattfinden, Angaben zu Distanz (im Schnitt 130 Kilometer pro Tour) und Höhenmetern entdeckt man erst auf den zweiten Blick. Alles Weitere bleibt dem eigenen Abenteuergeist überlassen. Was ja auch ein Vorteil sein kann.
Cyclist – Ride. The greatest cycling routes in the world, Octopus Publishing Group 2020, 224 Seiten, 24 Euro