„Cocaine Bear“ im Kino: Gut gepudert in freier Wildbahn
Die National Park Services in den USA haben für übermotivierte Wanderer im Fall einer Begegnung mit einem Bären einen simplen Ratschlag: Beim Angriff eines Schwarzbären sind die Überlebenschancen größer, wenn man zurückschlägt, statt sich totzustellen. Oder wie ein unglückseliger Wanderer am Anfang von „Cocaine Bear“ erklärt: „If it’s black, attack. If it’s brown, lay down.“
Regisseurin Elizabeth Banks zitiert auch kurz den Wikipedia-Eintrag – der freilich zu der Zeit, in der ihr Film spielt (die Achtziger, auf dem Höhepunkt von Reagans Drogenkrieg in Mittelamerika), noch nicht existierte. Gefährliches Halbwissen, beziehungsweise „gefährliches Halbgoogeln“, wie Deichkind auf ihrem jüngsten Album singen, ist wahrlich kein Phänomen der Wikipedia-Ära. Nur dass angelesenes Wissen in „Cocaine Bear“ tatsächlich tödliche Folgen haben kann.
Internet-Phänomen Eskobear
An Filme, die im Prinzip auf Ein-Satz-Witzen basieren, erinnert man sich selten länger als bis zu ihrer Pointe; heutzutage taugen sie am besten als Memes. Die eher mittellustige Horrorkomödie „Snakes on a Plane“ war 2006 noch etwas zu früh für ein sogenanntes Internet-Phänomen. Über 15 Jahre später hingegen ging „Cocaine Bear“ bereits viral, als die Prämisse des Films noch Anlass zu wildesten Spekulationen gab.
Im September 1985 war im Chattahoochee Nationalpark im Bundesstaat Georgia ein toter Schwarzbär gefunden worden, gestorben an einer mächtigen Überdosis. In seinem Magen befand sich kiloweise Kokain, das handlich verpackt in den Wäldern verstreut lag: Reste eines fehlgeschlagenen Drogentransports per Luftpost aus Kolumbien. Die Einheimischen der im Volksmund Blood Mountains genannten Gegend gaben ihrem neuen Tourismus-Maskottchen damals den Spitznamen Pablo Eskobear. (Quelle: Wikipedia)
Es dauert nicht lange, bis die ersten menschlichen Extremitäten durchs Bild fliegen. Man muss sich „Cocaine Bear“ als eine Mischung aus Naturfilm, Coen-Brüder-Komödie und Hinterwäldler-Krimi im Stil der Netflix-Serie „Ozark“ vorstellen. Was halt so passiert, wenn kriminelle Großstädter auf rustikale Bergbewohner treffen – und alle zusammen auf einen zugedröhnten Schwarzbären, der im weißen Puderstaub die schönsten Pirouetten dreht.
Drogenboss Syd (Ray Liotta in seiner letzten Rolle) schickt seine Handlanger Daveed (O’Shea Jackson Jr.) und Eddie (Alden Ehrenreich) nach Georgia, um die verlorene Beute einzusammeln. Dort treffen sie auf eine Wildhüterin mit einem losen Finger am Abzug (die großartige Margo Martindale) und eine wehrhafte Mutter (Keri Russell), die zwischen die Fronten von Drogenkartell und Problembär geraten. In den 1970er Jahren hatte das Tierhorror-Genre im Kern noch eine ökologische Botschaft, in „Cocaine Bear“ beschränkt sich der zerstörerische Einfluss der Menschen auf die Natur auf eine Ladung Kokain.
Schwarzer Humor und viel Blut
Das alles erzählt sich mit einer inspirierten Besetzung und einem Händchen für die richtige Mischung aus Humor und Splatter eigentlich fast von selbst. Elizabeth Banks ist eine Absolventin der Judd-Apatow-Komödienschule, zuletzt verfilmte sie wenig denkwürdig „Drei Engel für Charlie“ mit Kristen Stewart. Anders als Myriaden von Tierhorrorkomödien im „Sharknado“-Fahrwasser erschöpft sich der Witz von „Cocaine Bear“ aber nicht schon in seinem, zugegeben, Hashtag-tauglichen Titel.
Der gepuderte CGI-Bär, der auf der Suche nach der nächsten „White Line“ – Grandmaster Melle Mel findet natürlich seinen Weg auf den Soundtrack – durch das Naturschutzgebiet marodiert, ist ein besonderes Exemplar der jüngeren Kino-Zoologie. Bei der Verfolgung eines Krankenwagens legt er unter anderem einen Olympia-reifen Sprung hin. Nicht nur Kiffer, die sich im Internet stundenlang Tiervideos angucken, dürften an diesem Kokain-Bären ihre Freude haben. Für eine Anti-Drogenkampagne empfiehlt er sich hingegen eher nicht.
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