Überwachung in China: Vertrauen ist gut, Kontrolle besser
Begeistert blickt eine Gruppe Männer auf die Wandmalerei mit einem Zug, in dessen Führerstand der chinesische Präsident steht: „Schau, Präsident Xi winkt uns zu. Welch eine Ehre. Er wacht über uns.“ Dann machen sich die drei an die Arbeit, das Einsammeln von Müll: Einer hantiert mit der Zange, einer macht mit der Taschenlampe Licht, der dritte hält die Plastiktüte auf. Die Männer gehören zur riesigen Arbeiterkohorte, die die kommunistische Partei seit Jahrzehnten mit solchen Zurichtungsmaßnahmen gängelt.
Die in den USA lebende chinesische Filmemacherin Jialing Zhang blickt in ihrem Dokumentarfilm „Total Trust“ auf die wachsende Rolle von Überwachungstechnologien, mit der das chinesische Regime Oppositionelle gefügig macht. Der Anwalt Quanzhang Wang zum Beispiel wurde schon 2015 im Zuge einer Welle von Repressionen gegen Anwält:innen und Aktivist:innen verhaftet.
Fortschritt und Unterdrückung
Wenige Monate bevor er im April 2020 aus der Haft entlassen wurde, wurde sein Kollege Weiping Chang festgenommen und gefoltert. Chang verteidigte Menschen, die gegen das Vorgehen des Staates geklagt hatten, unter anderem weil dieser ihre Häuser widerrechtlich abriss. Außerdem gehörte er zu den wenigen Anwälten, die die MeToo-Bewegung in der Volksrepublik juristisch unterstützte. Das tat auch die Journalistin Sophia Xueqin Huang, die über sexuelle Belästigungen an Universitäten berichtete und anschließend wegen Verleumdung verklagt wurde.
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Zhang skizziert anhand dieser drei Fälle eine Kontinuität der Repression und konzentriert sich schließlich auf den Kampf von Zijuan Chen für die Freilassung ihres Mannes Weiping Chang. In Videologs, die sie gemeinsam mit ihrem Sohn Tutu aufnimmt, hält sie die Unterstützer:innen im Wettlauf mit den Behörden, die die Videos regelmäßig kurz nach dem Upload löschen, auf dem Laufenden.
„Total Trust“ ergänzt die Begegnungen mit Zijuan Chen, Sophia Xueqin Huang, Quanzhang Wang und dessen Frau Li Wenzu um Gespräche mit einer „Sektorbeauftragten“ in Rongcheng – sowie Ausschnitten aus Medien der Volksrepublik und Alltagsaufnahmen aus Metropolen. Die Offenheit, mit der (in nur leicht geschönter Sprache) über die Repressionsmechanismen geredet wird, ist schockierend. Von zahllosen Fassaden strahlen die Leuchttafeln mit KP-Propaganda. Diese Impressionen machen das Nebeneinander von wirtschaftlichem Fortschritt und den Abgründen der gesellschaftlichen Unterdrückung fühlbar.
Auf einer Technikmesse präsentieren Hersteller ihre Überwachungsprodukte: Kameras mit Gesichtserkennung für den Einsatz an öffentlichen Orten und in Verkehrsmitteln; Brillen, um gestresste Angestellte zu identifizieren – und dann dem Arbeitgeber zu melden. Die „Sektorbeauftragte“ berichtet von ihrem „Stress“ bei der Überwachung der Anwohner:innen und freut sich, dass ihre Arbeit durch technologische Hilfsmittel immer einfacher wird.
Menschen wie sie „managen“ in den diversen Projekten der chinesischen Regionen die Bevölkerung, indem sie diese zu Arbeitsdiensten wie dem Müllsammeln auf den Straßen und der Ahndung kleiner Verstöße nötigen. Die Gängelung abweichenden Verhaltens ist in der Volksrepublik wie in so vielen Diktaturen eine Gemeinschaftsaufgabe. Eine Fernsehsendung bewirbt das Projekt in Rongcheng mit modernen Wohnungen, von denen aus – neben dem Kabelfernsehen – auch auf die öffentlichen Überwachungskameras zugegriffen werden kann. 170 Millionen Kameras sind landesweit schon installiert, weitere 400 Millionen sollen folgen.
Formal ist „Total Trust“ sehr klassisch, sein Thema bestimmt die Form. Er zeigt ein Land, in dem die Paranoia von Oppositionellen angesichts der umfassenden Überwachung und der staatlichen Übergriffe geradezu verharmlosend erscheint.
Am Ende erfährt man, dass Zijuan Chen unterdessen mit ihrem Sohn aus der Volksrepublik in die USA geflohen ist und die Journalistin Sophia Xueqin Huang in Haft auf ihren Prozess wartet. Im Juni dieses Jahres wurde Weiping Chang zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Angesichts der Rigorosität, mit der das Regime in Peking gegen seine Kritiker:innen vorgeht, hat es ein Film nicht leicht, mit den Ereignissen Schritt noch zu halten.