Unter Elon Musk nur noch toxisch: Stephen King und der „Guardian“ verlassen X

Am Mittwoch dieser Woche war der Schriftsteller Stephen King noch voller Kampfeslust. Da schrieb er auf X, dem sozialen Netzwerk von Elon Musk, dass weder das Gerücht stimme, er habe Elon Musk, den „Musk-Man“, wie er ihn nennt, „als die neue First Lady von Trump bezeichnet“, noch, dass „Muskie“ ihn bei X rausgeworfen habe: „Und doch bin ich hier.“

Die Frage, wie lange der erbitterte Trump-Gegner Stephen King, der bei X über sieben Millionen Follower hat, noch bei der Plattform bleiben würde, stellte sich ja sowieso schon länger, nachdem Elon Musk im Oktober 2022 den Kurznachrichtendienst Twitter übernommen hatte und daraus X machte. Spätestens aber an dem Tag, da Donald Trump ein weiteres Mal zum US-Präsidenten gewählt wurde: King verglich da auf X die Demokratie als solche etwas schief mit zerbrechlichen Gegenständen, die zwar schön anzusehen seien, aber verkauft würden, wenn sie kaputt gehen.

King ist jetzt bei Threads

Am Donnerstagabend war es dann soweit. King setzte einen Tweet ab, in dem er verkündete: „I’m leaving Twitter“, ein letztes Mal noch ignorierend, dass Twitter jetzt X heißt. Er hätte zu bleiben versucht, so King weiter, aber die Stimmung sei gerade zu toxisch geworden. Wer will, solle ihm in Zukunft auf Threads folgen. Das ist ein Instagram-Ableger, auf dem man sich über Text-Nachrichten austauschen kann. Instagram und Threads gehören zum Imperium von Mark Zuckerberg.

Und weiter heißt es in der „Guardian“-Mitteilung: „Der US-Präsidentschaftswahlkampf hat nur noch mehr unterstrichen, was wir schon lange vermutet haben: X ist eine toxische Medienplattform und ihr Eigentümer, Elon Musk, hat ihren Einfluss genutzt, um den politischen Diskurs zu beeinflussen.“ Trotzdem könne man weiterhin Links zu den Artikeln des „Guardian“ posten, und auch dessen Reporter dürften weiterhin auf der Plattform senden.

Seitdem Elon Musk Twitter gehört, hat er den Nachrichtendienst ganz in seinem Sinn alleinherrschaftlich umgebaut. Donald Trump, dessen Konto von Twitter gesperrt worden war, durfte wieder Einzug halten, dazu eine Menge rechter und rechtsradikaler Lautsprecher. X wurde dieses Jahr zum aggressiven republikanischen Wahlkampfvehikel, und Musk hat mit über 200 Millionen Followern, wie viele davon auch immer echt sein mögen, die größte Reichweite.

Wie schrieb Musk nach dem Sieg Trumps über Harris und seiner Kür zum Leiter einer sogenannten Effizienzkommission in der zukünftigen Trump-Regierung: „Ich glaube, dass dies die transformativste Präsidentschaft seit der Gründung des Landes sein wird. Es wird eine Revolution sein.“ Und gestern zur Ernennung des John F. Kennedy-Neffen, Verschwörungstheoretikers und Impfgegners Robert F. Kennedy zum zukünftigen US-Gesundheitsministers: „Congratulations“.

Im Grunde ist X unerträglich, es sei denn, man ist Anhänger von Donald Trump und dem „Musk-Man“, wie King ihn nennt. Hass und Desinformation sind an der Tagesordnung. Und doch scheint der Dienst – trotz vieler, in die Hunderttausende gehender Austritte in den letzten zwei Jahren – mit seinen nach wie vor 600 Millionen Nutzern und Nutzerinnen weltweit, die bei weitem nicht alle Rechte sind, weiterhin ein Medium von gewisser Bedeutung zu sein. Und das nicht nur, um sich über Stimmungen und Vorhaben der Trump-Regierung und ihrer rechten und ultrarechten Getreuen zu informieren.

Orte wie diesen den Schreihälsen und Populisten zu überlassen, ist nicht leicht.

Robert Habeck zu seiner Rückkehr zu X

Deutschlands grüner Wirtschaftsminister Robert Habeck hatte sich bekanntermaßen erst kürzlich entschlossen, nach fünf Jahren Abstinenz mit seiner verunglückten, Grönemeyers Song „Zeit, dass sich was dreht“ summenden Kanzlerkandidaturbewerbung wieder bei X zu funken. Mit „back for good“ läutete er die Rückkehr ein und begründete sie solchermaßen: „Orte wie diesen den Schreihälsen und Populisten zu überlassen, ist nicht leicht“, so Habeck am 7. November. „Aber es sich leicht zu machen, kann nicht die Lösung sein. Nicht heute. Nicht in dieser Woche. Nicht in dieser Zeit. Deshalb bin ich wieder auf X.“

Die SPD ist zu X zurückgekehrt

Auch der Bundesvorstand der SPD, der seinen Account eigentlich im Februar geschlossen hatte, postet seit dem Bruch der Ampel-Koalition wieder auf X: „Herausfordernde Zeiten verlangen nach besonnenen Antworten. Deswegen haben wir uns für die Rückkehr auf X entschlossen. Denn nur wer seine Stimme einbringt, kann sich auch Gehör verschaffen – wir freuen uns auf eine spannende Zeit.“

Der Trend bezüglich X ist hierzulande also ein gegenläufiger zum angloamerikanischen Raum. Das verwundert insofern, als dass X in Deutschland eine der kleinsten Plattformen ist. Laut einer aktuellen Medienstudie von ARD und ZDF nutzt nur ein Bruchteil der deutschen Bevölkerung den Dienst: Drei Prozent tummeln sich dort täglich, sieben Prozent wöchentlich. Im Vergleich zu anderen sozialen Medien ist die Reichweite von X eine geringe: 37 Prozent der Deutschen nutzt mindestens einmal wöchentlich und 26 Prozent täglich Instagram, gefolgt von Facebook (33 Prozent) und TikTok (18 Prozent). Selbst Snapchat und Pinterest rangieren noch vor X.

Doch findet sich bei X noch immer fast der gesamte deutsche Politik- und Medienbetrieb. Und der scheut sich vielfach noch davor, ähnliche Textdienste wie Bluesky, Mastodon oder Threads zu nutzen, nicht zuletzt, weil es mitunter mühsam ist, ad hoc die früheren hohen Reichweiten und X-Followerzahlen zu generieren. Zumal wenn man kein Stephen King ist: Kaum 24 Stunden ist der Schriftsteller auf Threads, und schon hat er 250.000 Follower. „Being here on Threads feels freeing“ schrieb er zuletzt.

Ob sich die SPD und Habeck das noch einmal überlegen, der Freiheit zuliebe?