Menschen am Meer: Stille Szenen voll Licht und Melancholie
Sie drängen sich dicht aneinander, die farbigen Regenschirme sind aufgespannt. Als müsse sich das Quintett auf dem Bild von Barbara Müller-Kageler gemeinsam gegen den Sturm und heftigen Regen behaupten. Doch man sieht keine aufgewühlte See: Das Meer, der Strand und ein blauer Horizont liegen als stille Waagerechte vor den Figuren, die mit dem Rücken zum Betrachter stehen. Ein eigenartiger Kontrast tut sich zwischen Schutzsuchenden und der freundlichen Gleichgültigkeit der Landschaft auf, beides wirkt wie eingefroren.
Zur Eröffnung konnte sie nicht mehr kommen
Es handelt sich um ein charakteristisches Küstenbild der Berliner Künstlerin. Es ist auch zum Vermächtnis von Barbara Müller-Kageler geworden. Ihre gemeinsame Ausstellung „Meeresbrise“ mit Ursula Strozynski in der Galerie Knauber hat sie noch vorbereiten können, an der Eröffnung war sie aus Krankheitsgründen schon nicht mehr präsent. Im August ist die Künstlerin schließlich verstorben, mit 88 Jahren und bis zuletzt tätig. Seit ihrer Emeritierung als Professorin an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee konzentrierte sie sich ganz auf die eigenen malerischen Stärken.
Fischerboote und farbige Badetücher setzen Akzente
Sie manifestieren sich in der atmosphärischen Dichte ihrer Bilder ebenso wie der farblichen Facettierung im kreidigen Untergrund, der an die Technik von Max Beckmann erinnert. Genau wie der Expressionist beschäftigt sich Müller-Kageler, Jahrgang 1938, am liebsten mit dem Meer. Den Strandgängern, deren einfarbige oder gestreifte Badetücher den Akzent im dunstigen Grau setzen. Aber auch mit menschenleeren Stränden, an denen Fischerboote und gestreifte Paravents gegen den Wind wie zufällig im Sand gestrandet sind.
Eine leise Melancholie schwebt über diesen Szenen. Hier begegnen sich die Querformate von Barbara Müller-Kageler und die grafisch reduzierten Motive von Ursula Strozynski. Beide verlassen sich auf die erzählerische Stärke von Wasser, Möwen, Strand und Wind. Ein Spiel mit Assoziationen, in das sich individuelle Setzungen der beiden Künstlerinnen mischen. Zumal Srozynski ihre Impressionen dem mediterranen Raum widmet, während es Müller-Kageler immer wieder an die Ostsee zog.
Letztere blieb zeitlebens im Haus der Familie in Adlershof. Der Dachboden diente ihr als Atelier, in dem unter anderem ihre atmosphärischen Küstenbilder auf Hartfaserplatten entstanden. Ihnen gingen Reisen voraus, die Eindrücke manifestieren sich als Interpretation. Von einer „Bühne für das wechselnde Licht“ spricht die ihr verbundene Künstlerin Julia Brodauf in einem Katalogtext, „für die Nuancen von düster bis Lichtglanz“. Und natürlich für die rätselhaften Figurengruppen, über deren Schultern man mit in die mal fahle, mal von der Sonne vergoldete Weite blickt.
Selten wenden sich einem die Figuren zu, und selbst dann bleiben ihre Gesichter schemenhaft. Sie sind Farbträger und Platzhalter in einem, verstellen die Sicht und sorgen zugleich für einen Rhythmus, der die Horizontalen der Landschaft durchbricht. Ganz selten wendet sich eine Figur dem Betrachter direkt zu. Eine Einladung, zur Gruppe aufzuschließen, oder doch eher Ausdruck einer Distanz? Gewissheiten verschwimmen hier im feinen Nebel einer immerwährenden Sensucht.