Plötzlich ein Bild mehr in der Kunstausstellung: Nicht klauen – kleckern!
Beinahe wäre dieser Artikel nicht veröffentlicht worden. Warum? Der Autor war in allergrößter Versuchung, statt zu schreiben seine Staffelei herauszuholen und mit breitem Strich zu bemalen. Um dann, in seinem Übermut, sein „Kunstwerk“ in eine Ausstellung oder in ein Museum zu schmuggeln und dort frech aufzuhängen.
Plötzlich ein Bild mehr
Die Tat eines wahnsinnigen Redakteurs? Eher eine Nachahmungstat. In der Bundeskunsthalle Bonn wurde die Ausstellung „Wer wir sind“ abgebaut. Dabei mussten die Kuratoren feststellen: Es gibt ein Bild zu viel. Die Künstlerin Danai Emmanouilidis hatte ein kleines Frauenbildnis irgendwie in die Bundeskunsthalle gebracht und dort platziert. Keiner hat’s bemerkt, keinen hat’s gestört.
Joachim Huber hat eine Idee, wie eine Ausstellung in Berlin um eine Attraktion reicher werden könnte.
Auch in Berlin/Brandenburg werden Pinsel geschwungen, es ist davon auszugehen, dass Fernsehmaler Bob Ross in dieser Region zahlreiche Fans gefunden hat. Mit breitem Pinselstrich und ebensolchem Lächeln hatte der US-Amerikaner in seiner Fernsehkarriere an die 12.000 Bilder mit sehr beruhigenden Landschaftsmotiven gefertigt. Für jedes Bild brauchte er gerade mal 25 Minuten Sendezeit.
Wer (zu Recht) daran zweifelt, dass die Bob-Ross-Epigonen mit den Größen der Kunstgeschichte und aktueller Großkunst mithalten können, der sei an folgende Guerilla-Aktion erinnert. Im September 2021 hatte der dänische Künstler Jens Haaning zwei leere Bilderrahmen im Kunstmuseum Aalborg abgeliefert.
Der Künstler war beauftragt worden, für die Ausstellung „Work it out“ zwei seiner Bilder zu rekonstruieren. Die Bezahlung hielt Haaning für krass armselig, schlichtweg beleidigend. Also kassierte er das Honroar und schickte leere Bilderrahmen ins Museum. Ironische Konsequenz: Durch seine Aktion konnte Jens Haaning Aufmerksamkeit für seine Kunst generieren. Ein leerer Rahmen hat enorme Assoziationskraft.
Die Situation vieler bildender Künstlerinnen und Künstler in Berlin ist bedrängend, oft eine prekäre Existenzform. Also: die Edvard-Munch-Schau in der Berlinischen Galerie entweder mit einem leeren Rahmen verrätseln oder um den eigenen „Schrei“ ergänzen.