Hertha BSC spielt ohne Ausreden – und fast ohne Zuschauer
Es wird kein Geisterspiel im eigentlichen Sinne am Sonntag. Aber es kommt sehr nah ran: Maximal 750 Personen sind aufgrund der Coronalage für die Partie von Hertha BSC in der Fußball-Bundesliga beim VfB Stuttgart (15.30 Uhr, live bei Dazn) zugelassen.
Die meisten Protagonisten kennen die Situation bereits aus der vorigen Saison. Einer jedoch nicht: Herthas neuer Coach Tayfun Korkut, der zuletzt im Herbst 2018 als Bundesligatrainer tätig war. „Bei meiner letzten Tätigkeit waren die Stadien noch voll. Ich hätte die Zuschauer gern dabei gehabt“, sagt Korkut vor der Partie beim ehemaligen Klub, die in seiner Geburtsstadt stattfindet. Diese Umstände würden die Begegnung für ihn „ein Stück weit besonders“ machen.
Nach dem kurzen Exkurs kehrte Korkut am Freitag schnell zum Sportlichen zurück: „Das Allerwichtigste ist, dass wir ein gutes Ergebnis erzielen.“ Beide Teams stehen im Tabellenkeller. „Die Mannschaft, die gewinnt, macht einen kleinen Schritt in die richtige Richtung“, sagt Korkut. Zuletzt ging es bei Hertha BSC eher selten in die richtige Richtung, das Team ist mittlerweile seit vier Spielen ohne Sieg. Nach dem 1:1 gegen den FC Augsburg, mitsamt Ausgleich für den Gegner in der 97. Minute, musste Trainer Pal Dardai gehen.
Für die Wende soll Korkut sorgen. „Ich bin hier super aufgenommen worden“, sagt der 47-Jährige. Auf dem Trainingsplatz sei es dann zunächst darum gegangen, die Spieler kennenzulernen. Sein erstes Fazit: „Es ist einiges an Qualität da.“ Alle hätten sehr gut mitgezogen.
Doch das schien auch unter Dardai nicht das Problem gewesen zu sein. Der Ungar sprach meist davon, dass die Trainingseinheiten gut verlaufen seien. Allerdings fiel das auf dem Platz sichtbare Ergebnis danach oft ernüchternd aus.
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Dass sich das ändern muss, dürfte jedem klar sein. Sportdirektor Arne Friedrich sagte aber sicherheitshalber noch einmal: „Es gibt keine Ausreden. Wir müssen Spiele gewinnen.“ Hertha befindet sich in einem negativen Lauf von vier Partien ohne Sieg. „Du brauchst für die Rückrunde eine gute Basis. Die müssen wir jetzt legen“, forderte Sportgeschäftsführer Fredi Bobic unter der Woche.
Dafür wirken die Voraussetzungen auf den ersten Blick günstig. Nach dem Auftritt in Stuttgart empfängt Hertha den Vorletzten Arminia Bielefeld. Allerdings treffen sechs der neun Vereine aus der unteren Tabellenhälfte an diesem Wochenende in direkten Duellen aufeinander. Im Falle einer eigenen Niederlage beim VfB könnte Hertha auf den Relegationsrang rutschen.
Baustellen offensiv wie defensiv
Damit es ab jetzt besser läuft, muss Korkut gleich an mehreren Stellen ansetzen. Hertha präsentierte sich in der Offensive in dieser Saison weitgehend einfalls- und harmlos (13 Tore in 13 Spielen). Erschwerend kam hinzu, dass die Mannschaft in der Defensive immer wieder anfällig war. Bezogen auf die Zahl der Gegentore (insgesamt in dieser Spielzeit schon 27) ist es in den letzten Spielen unter Dardai zwar besser geworden.
Doch späte, vermeidbare Treffer in den vorigen beiden Heimspielen kosteten vier Punkte. Und es fehlt an Spielern, die auf dem Platz vorangehen. Eine Tatsache, die Dardai immer wieder monierte.
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Einer, der diese Aufgabe schon qua Amt ausführen sollte, ist Kapitän Dedryck Boyata. Ein lautstarker Anführer auf dem Platz ist er nicht, doch seine Präsenz gibt dem Team deutlich mehr Sicherheit. Zuletzt fehlte er wegen einer Rotsperre drei Mal, kehrt nun zurück. „Ich bin froh, dass er dabei ist“, sagt Korkut, der auch wieder auf Mittelfeldspieler Vladimir Darida zurückgreifen kann.
Taktisch wollte Korkut wenig preisgeben. Nur so viel: An der Viererkette wird er festhalten. „Damit fühlt sich die Mannschaft wohl.“ Und: „Wir wollen den Ball haben.“ Generell möchte der Trainer nicht nur das durchziehen, was er sich vorstellt, „sondern das in Einklang bringen mit dem, was ich an Personal habe“.
Mit Blick auf die kleine Kulisse in Stuttgart sagte Korkut abschließend: „Ich hoffe, es macht trotzdem Spaß.“ Mehr Fans dürfen bei seinem Heimdebüt in einer Woche im Olympiastadion dabei sein. Allerdings auch nur noch 5000, nachdem es gegen den FC Augsburg theoretisch 40 000 Besucher hätten sein dürfen. Die neue ab Mittwoch geltende Regelung hat der Berliner Senat am Freitag beschlossen.