Wer bekommt den Literaturnobelpreis 2021?

Neulich hat Peter Handke mal wieder ein Interview gegeben, dem „SZ“-Magazin, und einmal mehr demonstriert, wie aufgeladen die Literaturnobelpreisverleihung vor zwei Jahren gewesen ist.

Für seine Gegner sowieso, die wegen Handkes Jugoslawien-Einlassungen ganz und gar nicht mit der Entscheidung des Nobelpreiskomitees einverstanden waren; vor allem aber auch für Handke selbst, der den Literaturnobelpreis als hoch verdient empfand und das in der Stockholmer Nobelwoche gern zum Ausdruck brachte.

So empfand er es als Majestätsbeleidigung, dass ihm bei seiner Nobelpreisrede attestiert wurde, gerührt gewesen zu sein, ergriffen von sich selbst, weshalb er in besagtem Interview drohte: „Diesem Journalisten würde ich ganz gerne eine runterhauen“. Denn: „Ergriffen“ sei er „von der Sprache“ gewesen, von „entrückungsvollen Sätzen“, natürlich den eigenen.

Ein Jahr später, als überraschend die US- Lyrikerin Louise Glück zur Literaturnobelpreisträgerin gekürt wurde, war von Aufgeladenheit, Ergriffenheit und sonstigen Spannungen nichts zu spüren.

2020 kamen noch Ingrid Carlberg und Steve Sem-Sandberg dazu

Das hatte weniger mit der weitestgehend unbekannten Glück zu tun als mit der Pandemie, die eine Nobelwoche und die üblichen Verleihungszeremonien nicht zugelassen hatte. Überhaupt schienen zu diesem Zeitpunkt der Literaturpreis an Handke sowie die schlechte Verfassung, in der sich die Schwedische Akademie vor dessen und Olga Tokarczuks Wahl befand (2018 musste die Preisvergabe ausfallen wegen der vielen Skandale innerhalb der Akademie), eine Ewigkeit her zu sein.

Auch dieses Jahr war es sehr ruhig. Das letzte, was man von der Akademie hörte, war nach den vielen Umbesetzungen die Wahl der zwei Mitglieder, die das Gremium des 18-köpfigen Komitees schlussendlich komplettiert haben: Es sind die Journalistin und Schriftstellerin Ingrid Carlberg und der Schriftsteller Steve Sem-Sandberg, der auch hierzulande durch Romane wie „Die Elenden von Lódz“ und „Die Erwählten“ bekannt geworden ist.

Zugleich hatte die Akademie noch eine Änderung ihrer Arbeitsweise verkündet. Es gibt jetzt fünf Mitglieder von den achtzehn, die explizit das „Nobelkomitee“ bilden, erstmal bis 2024, und die Auswahl „in engem Kontakt“ mit den anderen Mitgliedern bestimmen.

Mircea Cartarescu steht bei den Buchmachern ganz vorn

Dazu kommt ein externes Gremium, eine Gruppe von zehn „Gebietsexperten“, die vorerst auch nur für drei Jahre benannt wurden und bei Bedarf anonym bleiben dürfen. Sie sollen die verschiedenen Sprachräume abdecken, den spanischsprachigen, den ostasiatischen, den slawischen, den arabischen und persischen sowie den indischsprachigen, und „jedes Jahr im Januar eine Argumentationsübersicht einsenden und Fragen des Komitees zu einzelnen Kandidaten beantworten.“

Der Literaturnobelpreis wird also noch weltläufiger, globaler, könnte noch mehr Überraschungen parat halten. In den Wettbüros stehen jedoch die üblichen Verdächtigen vorn: Haruki Murakami (eigentlich keine Chance wegen des Preises an Kazuo Ishiguro 2017), Anne Carson (auch keine Chance wegen Louise Glück 2020), der Kenianer Ngugi wa Thiong’o (auch wenig Chancen, ist der Alteingesessenste dieser Favoritenliste), die Russin Ljudmila Ulitzkaja, die Kanadierin Margaret Atwood sowie Maryse Condé aus Guadeloupe.

Neu in dieser ewigen Phalanx ist die französische Autorin Annie Ernaux und der Rumäne Mircea Cartarescu, der am Dienstag urplötzlich Murakami von Platz eins mit den niedrigsten Quoten verdrängt hat.

Wie so oft dürften die Genannten enttäuscht werden und jemand anders den Preis bekommen. Zu hoffen ist, dass der- oder diejenige gute, vielleicht großartige Sätze bei der Nobelpreisrede sagen wird – aber ganz ohne Entrückung.