Weltmeister Oliver Zeidler möchte seinem Opa nacheifern
In diesen Tagen wird Oliver Zeidler, 26, mit jeder Menge Familiengeschichte konfrontiert. Am Donnerstag begann die Vorläufe der Ruder-EM im Rahmen der European Championships in München, Zeidler blieb am Start hängen, kämpfte sich aber mit einer Energieleistung noch als Vorlaufsieger ins Ziel.
Für den gebürtigen Dachauer, der mittlerweile für die Frankfurter RG Germania startet, finden die Wettkämpfe dort statt, wo „ich die meiste Zeit meiner Karriere verbracht habe“, wie er in einer virtuellen Presserunde jüngst mitteilte. Schon als Kind verbrachte er viel Zeit an der Regattastrecke in Oberschleißheim.
Von großer Bedeutung für die gesamte Familie ist diese Strecke auch deshalb, weil Zeidlers Großvater, Hans-Johann Färber, bei den Olympischen Spielen 1972 im Vierer mit Steuermann hier die Goldmedaille gewann. „Das ist natürlich etwas Besonderes für mich“, sagt Zeidler.
Überhaupt freut sich der Ruderer auf die Wettkämpfe in den kommenden Tagen, „weil sie etwas von Olympia haben, aber ohne den Gigantismus“. Natürlich mussten einige Reparaturen an den einzelnen Sportstätten vorgenommen werden, auch wurde in die Infrastruktur investiert.
Aber München wirbt ja gerade damit, dass die Wettkämpfe genau dort stattfinden, wo die Athlet:innen bereits vor 50 Jahren um olympische Medaillen kämpften.
Der DRV rückt mit dem bestmöglichen Aufgebot an
Bei den European Championships in Glasgow vor vier Jahren war das deutsche Team nicht mit seinen stärksten Leuten angereist, weil einen Monat später die WM in Bulgarien stattfand. Auch in diesem Jahr folgt wenige Wochen nach den Kontinentalwettkämpfen mit der WM in Racice (Tschechien) der Saisonhöhepunkt.
Dennoch rückt der Deutsche Ruderverband (DRV) mit seinem bestmöglichen Aufgebot an. Damit die Athlet:innen vor dem heimischem Publikum Zuneigung aufsaugen können. Aber auch um zu überprüfen, ob der Neustart nach den Olympischen Spielen in Tokio 2021 Früchte trägt. Sportdirektor Mario Woldt erhofft sich wichtige „Ableitungen für die WM“.
Für den DRV fielen die Wettkämpfe in Japan enttäuschend aus. Der Achter sowie der leichte Doppel-Zweier gewannen zwar jeweils eine Silbermedaille. Sinnbild für den Frust des deutschen Teams war Zeidler, der als großer Favorit den A-Finallauf sogar verpasst hatte und anschließend bitterlich weinte.
Der Frauen-Doppelvierer hatte zum ersten Mal in der olympischen Geschichte dieses Bootes eine Medaille verpasst, nachdem die Crew auf Silberkurs liegend aus dem Rhythmus gekommen war.
Entsprechend tiefgreifend fällt der Umbruch für den aktuellen olympischen Zyklus aus. Zahlreiche Athlet:innen beendeten ihre Karrieren, im Achter hat sich die Crew auf sechs Positionen verändert. In vielen Bootsklassen wurde die Besatzung neu zusammengesetzt.
Brigitte Bielig übernahm als Cheftrainerin, nachdem ihr Vorgänger Christian Felkel überraschend gekündigt hatte. Sie sagt: „Wir haben in den vergangenen Monaten viel ausprobiert, weil wir in einigen Bereichen nicht so gut aufgestellt sind.“
Das offenbarte sich auch bei den Weltcups in dieser Saison. Was Zeidler zum Anlass nahm, um in einem Interview mit dem „Münchner Merkur“ seinen Verband heftig zu kritisieren. „Wenn man sich die Saisonresultate im Rudern anschaut, das ist ein Debakel. Wir sind so schlecht wie lange nicht. Die Abwärtsspirale, die 2010 angefangen hat, dreht sich immer schneller.“
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Im DRV gebe es niemanden, „der diese Ahnung vom Leistungssport hat“.
Und die Zeit drängt. Bereits im kommenden Jahr geht es bei der WM darum, sich für die Olympischen Spiele in Paris 2024 zu konzentrieren. In Tokio war der DRV mit nur sieben Booten in 14 Klassen vertreten. Diese Zahl soll keinesfalls unterschritten werden. „Darauf müssen wir uns sehr konzentriert vorbereiten“, sagt Bundestrainerin Bielig.
Der Übergang zu den Älteren ist schwierig
Dass im Vergleich zum Vier-Jahres-Rhythmus wegen der verschobenen Spiele weniger Zeit zum Tüfteln bleibt, erschwert die Lage. „Ich sehe das schon kritisch“, sagt die Bundestrainerin. Weil der Erneuerungsprozess bedeutet, dass „wir zahlreiche junge Sportler an den A-Kader heranführen müssen“.
Und obwohl die jüngst beendete U-23-WM zeigte, dass der deutsche Rudernachwuchs mit zehn Medaillen zur Weltspitze gehört, ist der Übergang zu den Älteren schwierig.
Für Oliver Zeidler ging es nach den Enttäuschungen von Tokio darum, ebenfalls hier und da etwas an den Abläufen zu ändern. „Nach Olympia habe ich mich gesammelt und geschaut, worauf der Fokus liegt“, erzählt er. „Einige Stellschrauben und Techniken wurden verändert.“
Aufgrund der etwas professionelleren Strukturen rudert er nun für den Verein aus Frankfurt und nicht mehr für seinen alten Klub in Ingolstadt. Sein Trainingsrevier ist mit der Regattastrecke in Oberschleißheim gleichgeblieben. Insofern ist er in diesen Tagen auf sehr vertrautem Terrain unterwegs.