Was nach der Klima-Apokalypse bleibt
Nach der Klimakatastrophe leuchten giftgrüne Polarlichter selbst im Südwesten Amerikas über den Nachthimmel. Sonnenuntergänge haben nichts an Schönheit verloren. Zwar erstrecken sich über die Weiten des Landes, wo vorher Blumen aus den Felder sprossen, nur noch endlose Sanddünen.
Doch auch mit diesem Anblick kann sich das Publikum anfreunden. Dem unbewohnbaren Planeten Erde, dessen Ozonschicht zu „Schweizer Käse“ geworden ist und auf dem Lebewesen aus Fleisch und Blut unter den Sonnenstrahlen verbrennen, wohnt eine unwirkliche Schönheit inne.
Zumindest, wenn „Game of Thrones“-Regisseur Miguel Sapochnik ihn sich ausmalt – und sich für die Umsetzung “GoT“-Kameramann Jo Willems an Bord holt. Im Endzeit-Drama „Finch“ verleihen die beiden dem Schreckensszenario Klimakatastrophe durch beeindruckende Landschaftsaufnahmen eine beunruhigende Ästhetik.
Mittendrin: Tom Hanks als ein kränkelnder Erfinder, der in einem aufgetunten Wohnmobil durch Trümmer und Sandwüsten fährt. Seine Mission: Überleben. Aber nicht um seinetwillen. Er will seinen Hund Goodyear vor den Unwägbarkeiten der feindlichen Welt beschützen. Darum tüftelt Finch an einem Roboter, der ihn überdauern und sich nach seinem Tod um Goodyear kümmern soll.
Man fühlt sich an „Cast Away“ erinnert
Als Zuschauer kommt man nicht darum herum, an Tom Hanks in „Cast Away“ erinnert zu werden. Vor 20 Jahren spielte er einen Gestrandeten auf einer pazifischen Insel, der sich mit einem Volleyball anfreundet, um sich vor dem Wahnsinn zu bewahren. Ein von Verwahrlosung gezeichneter, mit leblosen Gegenständen brabbelnder Tom Hanks… in „Finch“ hat Hanks Charakter sich aber mit der Endlichkeit des eigenen Selbst abgefunden.
Eigentlich ganz passend, dass der nun 20 Jahre ältere Hanks einen Mann spielt, der sich auf seinen Tod vorbereitet und weniger eifrig um sein Überleben kämpft. Und noch etwas ist anders: Hanks erlebt seine Premiere nicht mehr auf der Kinoleinwand, sondern erneut bei Apple TV+ auf mobilen Endgeräten im Wohnzimmer. Mit „Finch“ ereilt ihn zum zweiten Mal nach dem Tiefsee-Krimi „Greyhounds“ das coronabedingte Schicksal eines Plattform-Starts.
[Wenn Sie alle aktuellen Entwicklungen zur Coronavirus-Pandemie live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]
Kinoreife Emotionen kann All-American-Tom natürlich immer noch aufrufen. Finch blickt seinen Hund an, als wäre er sein eigenes Kind, tätschelt ihn liebevoll und säuselt ihm aufmunternde Worte zu. Ebenso hingebungsvoll erzieht Finch seinen Roboter Jeff (im Original gesprochen von Caleb Landry Jones).
Mit väterlicher Strenge bringt er ihm Laufen, Autofahren und die Kunst des Überlebens bei. Die wichtigste Regel aber, auf die er Jeff programmiert hat, lautet: sich, komme, was wolle, um den Hund zu kümmern. Goodyear kann mit seinem mechanischen Weggefährten allerdings nicht viel anfangen. Das begreift Jeff schnell, der mit der Zeit nicht nur motorisch geschickter, sondern auch emotional empfänglicher wird. So wird „Finch“ zu einer verhinderten Familienkomödie – am Ende der Zivilisation.