Was „Babylon Berlin“ linear und nonlinear beweist: Die Fernsehwelt ist endgültig zweigeteilt
Sie lernen beide dazu: die Fernsehsender und die Fernsehzuschauer. Am prägnantesten zeigt sich diese Entwicklung an „Babylon Berlin“. Bei der Ausstrahlung der Hochglanzserie in der ARD sind die Einschaltquoten bei Staffel IV weiter gebröckelt.
Hatten zum Start 2018 noch 7,83 Millionen vor dem Fernseher gesessen und beim Auftakt der dritten Staffel vor drei Jahren immerhin noch 4,33 Millionen, wurde die erste Folge der vierten Staffel am vergangenen Sonntag nur noch von 3,78 Millionen verfolgt.
Absteigendes Interesse
Bei der Fortsetzung am Montag schalteten um 20 Uhr 15 noch 2,50 Millionen (10,4 Prozent) ein. 2,30 Millionen beziehungsweise 2,29 Millionen blieben auch bei den weiteren Folgen, die im Anschluss ausgestrahlt wurden, dabei. Die elfte und damit vorletzte Episode am Dienstag erreichte 1,84 Millionen Zuschauer, das Finale von „Babylon Berlin IV“ wollten 1,72 Millionen nicht verpassen.
Sicherlich steckt da ein Abwärtstrend drin. „Babylon Berlin“ ist längst eingepreist als Einschaltgewohnheit, die Faszination der Verfilmung der Volker-Kutscher-Romane hat gelitten.
Es stellt sich auch die Frage, ob die ARD und ihr Pay-TV-Partner Sky gut beraten waren, Roman für Roman zur Drehvorlage zu nehmen. Originalität und Qualität der Romane schwanken, „Goldstein“, der dritte aus der Gedeon-Rath-Reihe, ist schwächer als andere, da hätte sich ein Sprung oder das Heranziehen weiterer Elemente aus anderen Romanen angeboten.
Die Frage von Originalität und Qualität ist die eine, die andere, welcher Ausspielweg gewählt wird. Klar war von Beginn an, dass Sky das Recht auf die Erstausstrahlung besitzt. Zwar haben der Pay-TV-Sender und ARD nie kommuniziert, wer welchen Kostenanteil übernommen hat, gleichwohl wäre Sky nicht als Partner zu gewinnen gewesen, wenn nicht temporäre Exklusivität zugestanden worden wäre.
Sky ist ausgestiegen
Diese gewinnbringende Kooperation ist beendet, Sky hat seine fiktionalen Anstrengungen eingestellt, jetzt muss die ARD einen neuen Partner finden. Immerhin hat das Erste seinen Willen zur Fortsetzung bekundet.
Wie immer das künftige Modell aussehen wird, eine Erkenntnis wird die ARD einspeisen müssen: Das Staffelfinale von „Babylon Berlin“ sahen bei der linearen Ausstrahlung kaum noch Menschen unter 50. Die Reichweite in der Altersgruppe 14–49 lag bei unter 10.000, der Marktanteil ab 21 Uhr 45 bei 1,8 Prozent, ab 22 Uhr 34 bei 3,0 Prozent.
Das jüngere bis junge Publikum hat sich insbesondere bei fiktionalen Stoffen, sprich mehrteiligen Serien-Erzählungen, aus der linearen Fernsehwelt verabschiedet. Streaming bis zum Binge-Watching ist längst à la mode, da wird nicht auf 20 Uhr 15 gewartet.
Erfolg in der ARD-Mediathek
In dieser Perspektive sind die Abrufzahlen in der ARD-Mediathek die Erfolgswährung. Hier kann das Erste bei „Babylon Berlin“ mehr als zufrieden sein. Was für die Zukunft aber heißt: Die audiovisuelle Welt wird sich in zwei Reiche teilen, hier linear, dort nonlinear.
Bleibt die Fiktion dabei die eine entscheidende Scheidemarke oder werden weitere Formate davon erfasst? Die Programmmacher sind gut beraten, hier für Klarheit zu sorgen. Fernsehen darf nicht zum Labyrinth werden.