Uschi Brüning und Popette Betancor „Eine Prise Licht“: Zwei Noten Samba
Sie könnten präziser einsteigen, die hohen Lagen besser treffen, sie könnten textsicherer sein. Erstaunlich, dass die Abzüge in den technischen Noten kaum etwas daran ändern, dass Uschi Brünings und Popette Betancors Premiere des zweiten gemeinsamen Programms „Eine Prise Licht“ ein schöner, bewegender, mit Jubel bedachter Abend ist.
Im Jahr 2020 sind Brüning, der Star des DDR-Jazz, geboren 1947, und Betancor, Kleinkunst-Heroine, Komponistin und Texterin, geboren 1964, zum ersten Mal mit „Jazzstandards Germanized“ hervorgetreten. Die ausgestellte Wuschigkeit und die kleinen Bühnenkabbeleien der beiden charismatischen Ladies prägte auch das Programm „Ich Mein Dich“, das in ein Album der beiden mündete.
Dass die ernsthafte, jedem Bühnenbrimborium abholde Brüning nun nicht mehr einen Gesangspartner wie Manfred Krug neben sich stehen hat, sondern die jedem Schabernack zugeneigte Popette Betancor, ist auch beim zweiten Programm immer noch überraschend. „Es ist erlaubt, zu tanzen“ ulkt Betancor als die beiden „Eine Note Samba“ (One Note Samba) anstimmen. „Es ist aber auch erlaubt, nicht zu tanzen“, gibt Brüning zurück und verweigert jeden Bossa Nova-Schritt.
Thelonius Monk und Miles Davis
Ein weiteres Pfund, das „Eine Prise Licht“ von anderen Standards-auf-Deutsch-Projekten unterscheidet, sind die mal absurd komischen, mal poetischen Texte von Betancor. Und die reduzierten Arrangements, in denen Christian von der Goltz‘ Flügel melodische Fülle versprüht und Willi Kellers Schlagzeug perkussive Spitzen setzt. Der seriöse Pianist und der verschmitzte Trommler sind ein nicht minder spannungsreiches Duo als Brüning und Betancor.
Das ist es, was den Abend mit Songs von Herbie Hancock, Miles Davis, Charlie Parker, Thelonius Monk so sympathisch und berührend macht: Da sitzen und stehen Charaktere auf der Bühne, die die Musikalität mit der Muttermilch aufgesogen zu haben scheinen. Oder – wie im Fall von Betancor – nach 25 Jahren Kleinkunst-Karriere noch ein Studium für zeitgenössische Komposition absolviert haben.
Wenn Brüning, der die Moderatorin Betancor immer wieder den Vortritt am Mikro lässt, nach der Pause das zweite Set mit der Ballade „Endlich Sonntag“ (Come Sunday) von Duke Ellington einläutet, füllt andächtige Innigkeit das Spiegelzelt.
Als Brüning später bei „Nimm Fünf“ (Take Five) dann viel zu lange nach dem Textblatt kramt und sich in Improvisiertes rettet, ist sie längst verflogen. „Wenn ich schon Deinen Text singe, kann ich auch meine eigene Sprache sprechen“, frotzelt Brüning Kollegin Betancor an. Die Sprache der Musik zum Beispiel.