Tattoos von Rembrandt
Talent besitzt er auf jeden Fall, er versteht sich als Künstler. Ganz gewiss aber ist Joshua ein Eigenbrötler. Vieles von dem, was er denkt, behält er für sich. Und es gibt viel, was ihn nervt. Insbesondere seine Mitschüler:innen findet er zum Kotzen, der Schlimmste ist Sergio, ein von oben bis unten volltätowierter Kickboxer und Prügelkönig auf dem Schulhof.
Und seit Joshuas beste und einzige Freundin Zivan mit ihren Eltern zurück in den Irak gehen musste, fühlt er sich so allein wie noch nie. Sie war die Einzige, mit der er über alles reden konnte, die seine sensiblen Seiten kannte – und in die er außerdem verliebt ist. Doch jetzt antwortet sie nicht mehr, seine Nachrichten landen im digitalen Nichts. Bis er erfährt, dass ihr das Handy weggenommen wurde.
Wölfe kann er besonders gut zeichnen
Erna Sassens Jugendroman „Ohne Dich“ handelt von einem klassischen Außenseiter. Halb spöttisch wird der 15-jährige Joshua „Rembrandt“ genannt. Weil er gut zeichnen kann. Überraschenderweise bringt ihn das mit Sergio in Kontakt, den er eigentlich nicht ausstehen kann.
Der hat Joshuas Skizzenheft in die Finger bekommen und ist von seinen Wolfszeichnungen so beeindruckt, dass er ihm gleich einen Auftrag erteilt. Joshua soll Sergios nächstes Tattoo designen. Der Künstler ist irritiert und fühlt sich geschmeichelt.
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Die niederländische Schriftstellerin schreibt ohne Zeigefinger, aber mit Botschaft. Man darf seinen Vorurteilen nicht trauen, Menschen sind oft anders, als sie zunächst erscheinen.
[Erna Sassen: Ohne Dich. Aus dem Niederländischen von Rolf Erdorf. Illustriert von Martijn van der Linden. Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2022. 264 S., 20 €. Ab 14 Jahre]
Sergio ist keineswegs der stumpfe Mobbing-Unhold, für den Joshua ihn gehalten hat. Auch seine Meinung über Sergios „Leibwächter“ Dylan, den er bisher „hirnlos“ fand, muss er ändern, als er dessen schockierende Hintergrundgeschichte erfährt.
Flucht ins Frauenhaus
Die Welt gerät endgültig ins Rutschen, nachdem Zivan in die Kleinstadt nahe Amsterdam zurückgekehrt ist. Zwischen ihr und Joshua ist es nicht mehr wie früher, sie hat sich verändert, ist abweisend. Und eines Tages verschwindet sie wieder, ohne Abschied. Später hört Joshua, dass Zivan im Irak mit einem Cousin verheiratet werden soll. Deshalb muss sie sich in Frauenhäusern verstecken.
„Ohne Dich“ wirkt wie eine Mischung aus Tagebuch und Skizzenheft. „Joshuas“ Zeichnungen – sie stammen vom Illustrator Martijn van der Linden – wechseln sich mit dem Text ab. Was er nicht mit Worten beschreiben kann, zeichnet er. Gemälde mag Joshua nicht: „Es stört mich, wenn alles gänzlich vollgespachelt ist, (…) nirgends eine offene Stelle.“ Mit der Kunst will er nie fertig sein, genauso wie mit dem Leben.