Sitzvolleyballer verpassen Bronze: Kleines Finale wird zum Krimi
Die Mission der deutschen Sitzvolleyballer am Freitagnachmittag: paralympisches Bronze – und dabei eine alte Rechnung begleichen. Gegen Ägypten wollten sie ihren dritten Platz von London 2012 wiederholen.
Der Afrikameister hatte die deutsche Mannschaft 2022 im Viertelfinale der WM und bei den Paralympics in Tokio 2021 im Spiel um Platz fünf besiegt. Höchste Zeit also für eine Revanche.
Als die Teams in die Arena Paris Nord einlaufen, herrscht ohrenbetäubender Lärm. Zu Beginn ist es aber ein langsames Herantasten beider Mannschaften. Die Schmetterbälle wirken beinahe vorsichtig und bedacht platziert. Nach etwa zehn Minuten nimmt das Spiel an Fahrt auf – was die gut gefüllten Zuschauerränge prompt mit lauten Rufen belohnen.
Keines der beiden Teams kann sich jedoch entscheidend absetzen, die Führung wechselt immer wieder hin und her. Auffällig: Die deutschen Spieler scheinen des Öfteren mit den Entscheidungen der Schiedsrichter nicht einverstanden. Den ersten Satz entscheidet Ägypten mit 25:22 für sich.
Im Gegensatz zum Halbfinale starten die Deutschen besser in Satz zwei und liegen lange vorne. Bei jedem Punktgewinn kreischt das von Schulklassen durchmischte Publikum laut auf. Doch die Schmetterbälle des Ägypters Metawa Abouelkhir bekommt Deutschland nur schwer verteidigt. Vom 8:8-Gleichstand zieht Ägypten auf 14:10 davon.
Die Einwechselung von Tatang Francis Tonleu für Deutschland stellt sich als goldrichtig heraus. Drei Punkte in Folge verkürzen den Abstand. Das Momentum ist auf deutscher Seite. Das Team von Christoph Herzog erspielt die Führung – und gewinnt den Satz mit 25:23.
Die Partie bleibt spannend, die Stimmung auf den Rängen mitreißend. Der gewonnene Satz hat den Deutschen gutgetan, sie strotzen vor Selbstbewusstsein und schlagen schnellere Bälle. Auch der Block steht stabiler und bei den Ägyptern gibt es vermehrt Gesprächsbedarf. Und dennoch: Den Ägyptern gehört der erste Satzball und Herzog reagiert mit einer Auszeit. Doch die Schiedsrichter treffen die Entscheidung des nächsten Punktes zugunsten der Nordostafrikaner zum 23:25 aus deutscher Sicht.
Deutschland behält die Nerven
Der vierte Satz ist was für jeden Sportliebhaber. Lange Ballwechsel, mehrere „Monsterblöcke“ – die Zuschauer kommen auf ihre Kosten. Deutschland liegt früh vorne und auch wenn es stets eine knappe Führung ist, sie hat Bestand.
Dann wechselt sich der bis dato draußen sitzende Kapitän der Ägypter selbst ein. „Hesham Elshwikh ist der Kopf der Mannschaft und deren bester Angriffsspieler“, sagt Herzog. So lässt sich Ägypten nicht abschütteln, schafft sogar den Ausgleich zum 22:21. Die Deutschen beweisen Nervenstärke und haben zwei Satzbälle, wovon sie letzteren verwandeln. Es geht in den fünften, entscheidenden Satz.
Die Anspannung beider Teams ist spürbar. Unermüdlich feuern die deutschen Fans ihr Team an und geben den Takt auf der Tribüne vor. Es hilft der Mannschaft, dranzubleiben, als Ägypten immer vorlegt. „Wir kommen gut raus, aber sind viel zu zaghaft“, sagt Herzog nach dem Spiel. „Wir haben nicht angegriffen.“
Doch dann zieht Ägypten weg. Herzog greift zur Auszeit und redet auf seine Spieler ein. Deutschland bäumt sich noch einmal auf, verkürzt zum 10:14, aber Ägypten setzt seinen zweiten Matchpoint durch und entscheidet das Spiel mit 3:2 für sich. „Der Tiebreak ist ein Bastard-Satz“, so Herzog. „Sie waren mit fünf weg, wir hatten keine Chance mehr.“
Der Jubel aufseiten der Ägypter ist bittersüß. Es fließen Freudentränen und die meisten Spieler liegen sich in den Armen, während ein Teamkollege sich ein weißes Shirt überzieht. Darauf abgedruckt: das Bild des kürzlich verstorbenen Cheftrainers. „Sie haben es vermutlich für ihn gemacht“, mutmaßt Herzog nach Spielende. Der Co-Trainer stünde nun an der Seitenlinie, würde aber nur geringfügig von den Spielern akzeptiert werden.
Die Deutschen sind nach Spielende sichtlich enttäuscht. „Ich bin im Moment leer“, sagt Tonleu. „Manchmal gibt man alles und 100 Prozent ist nicht gut genug.“ Das Team habe so gut wie alles richtig gemacht, aber die Ägypter eben auch. Derselben Meinung ist Kapitän Jürgen Schrapp: „Vorwerfen können wir uns nichts.“
Zurück bleibt ein undankbarer vierter Platz. Der Bundestrainer ist trotzdem stolz. „Wir sind unter den besten vier der Welt. Alle anderen haben wir hinter uns gelassen“, sagt er. Sein Team hat nur gegen die ersten Drei verloren. „Am Ende sind das auch die Mannschaften, die professionell arbeiten, im Gegensatz zu uns.“