Floors gibt 400-Meter-Titel ab: Silbermedaille und Umarmung

Johannes Floors kniete hinter der Ziellinie auf der Tartanbahn und schaute schwer atmend auf den Boden des Stade de France. Dann schlossen sich zwei Arme um den enttäuschten Para-Sprinter. Irmgard Bensusan war direkt zu ihrem Teamkollegen auf die Bahn gelaufen. Sie half Floors auf, umarmte ihn und redete eindringlich auf ihn ein. Sie bestärkte ihn, redete ihm gut zu. Sein Gesicht sprach an diesem Freitagabend tausend Bände.

Floors nickte Bensusan zu und sie umarmten sich nochmal lang und innig, bevor sich Floors auf seine Ehrenrunde im Stadion machte. Es war ihr gemeinsamer Abschied von der gemeinsamen Sportkarriere, da Imgard Bensusan bald zurück in ihre Heimat ziehen wird.

Es war der perfekte Abend, nur leider nicht für Johannes Floors, sondern für seinen Konkurrenten Hunter Woodhall. Der US-Amerikaner sicherte sich bei den Paralympics – nach seiner Frau Tara Davis-Woodhall, die bei den Olympischen Spielen im Weitsprung siegte – nun ebenfalls die Goldmedaille. Ein goldener Doppelpack. Seit sieben Jahren war Floors ungeschlagen über seine Paradedisziplin der 400 Meter. Der Weltrekord sowie der paralympische Rekord stehen neben seinem Namen. In Paris musste er sich jedoch geschlagen geben.

Ich werde sie vermissen in unserer Trainingsgruppe. Aber egal wo sie hinzieht, es wird ein cooler Urlaubsort.

Johannes Floors über Irmgard Bensusan

Auf den ersten 200 Metern setzte sich der 29-Jährige zuerst von seinem Feld ab. Nach einer halben Stadionrunde holt Woodhall langsam, aber sicher auf. Auf den letzten 50 Metern sollte die Entscheidung fallen, und der Amerikaner zog am deutschen Para-Sprinter vorbei. Auch der Niederländer Olivier Hendriks holte auf. In einem Fotofinish verteidigte Floors noch knapp den zweiten Platz.

Aufgrund eines Fibola-Gendefekts hatte Floors im Alter von 16 Jahren die Entscheidung getroffen, sich beide Unterschenkel amputieren zu lassen. Das Hauptziel – keine Schmerzen mehr zu haben. Nach dieser lebensverändernden Entscheidung zog es ihn in die Para-Leichtathletik. 

Bereits bei seinen ersten Paralympischen Spielen in Rio 2016 gewann er seine erste Goldmedaille mit der 4×100 Meter Staffel. In Tokio kam es 2021 zu seinem ersten Einzelsieg über die 400 Meter. Auch bei Weltmeisterschaften holt sich der Niedersachse in den vergangenen sechs Jahren konstant den Titel. Neben seiner sportlichen Karriere geht es für ihn beruflich weiter als Orthopädietechnik-Mechaniker. 

Bereits am Montagabend hatte Floors an dem 100-Meter-Finale der Männer teilgenommen und den undankbaren vierten Platz belegt. Schlechte Stimmung nach dem Rennen? BeiFloors Fehlanzeige – als erster der beidbeinig Amputierten überquerte er die Ziellinie und erreichte somit sein Hauptziel.

Er fühlte sich sicher hinsichtlich des noch bevorstehenden 400-Meter-Rennens. „Da wird alles neu gemischt und da bringe ich das Ding nach Hause“, hatte er prophezeit. Doch Realität wurde es nicht. In Paris musste Floors sich mit Rang zwei zufriedengeben. Ob und wo es für ihn bis zu den Spielen in Los Angeles 2028 hingeht, steht noch offen.