Seufzen, säuseln, sprudeln
Das International Lutoslawski Youth Orchestra wurde 2013 zum 100. Todestag seines Namensgebers gegründet. Am Mittwoch ist das polnische Ensemble erstmals im Rahmen des Young Euro Classic Festivals in Berlin zu Gast. Der Abend im Konzerthaus wird mit der Tondichtung „Bianca da Molena“ des außerhalb Polens weitestgehend unbekannten Komponisten Mieczyslaw Karlowicz eingeleitet. In schwelgenden Streicherteppichen und warmen Blechsätzen erklingt eine leidenschaftliche Musik, aus der ein ausgeprägter Personalstil spricht. Die jungen Musiker:innen aus Polen und ganz Europa musizieren selbstbewusst und mit großem Einsatz: beeindruckend, wie gut ein Jugendorchester klingen kann.
Das volle Potential wird auch im Violoncello-Konzert von Witold Lutoslawski und im „Konzert für Orchester“ von Béla Bartók erfahrbar. Beide gelten als herausfordernde Werke im sinfonischen Repertoire, die etwaige Schwächen eines jeden Orchesters offenlegen. Wie bereits der Titel suggeriert, werden einzelne Stimmgruppen exponiert eingesetzt, im zweiten Satz treten Blasinstrumentenpaare immer wieder solistisch hervor. Ungeachtet dessen wird unter der Leitung von Ayyub Guliyev ausgelassen musiziert, der es beweglich, aber effizient versteht, Tempi und Klang zu balancieren.
Gerne will man dieses Orchester bald wieder hören
Sicher könnten manche Klangeffekte noch delikater, manche Solos mit noch mehr Initiative geformt sein. Solist des Abends ist der junge polnische Cellist Martin Zdunik. Mit großem Gestaltungswillen und technischer Brillanz ringt er mit dem Orchester: dem konzeptionellen Konflikt des Konzertes wird das Cello nicht unterliegen. Zdunik vermag es, seinen Klang in den Saal zu projizieren, das Cello seufzt, säuselt, sprudelt, spricht oder singt. Die Zugaben, eine freie Improvisation über eine Chopin’sche Mazurka, sowie ein ukrainisches Volkslied, zeichnen das Bild eines intelligenten Musikers, den man gerne wieder hört. Das gilt auch für das Lutoslawski Youth Orchestra. Und dann gerne mit einem weniger konservativen Programm, das sich nicht scheut, die etwas einfallslose Trinität von Ouvertüre, Solistenkonzert und Sinfonie aufzubrechen.