Nach langen Jahren freundet sich der 1. FC Union wieder mit dem Pokal an

Nur Ritter Keule stand noch auf dem Spielfeld, als die Fans des 1. FC Union am Dienstagabend kurz nach 23 Uhr ihre Jubelchöre fortsetzten. Nach einer kurzen Ehrenrunde waren die Spieler längst in die Kabine verschwunden.

Die Anhänger mit ihren warmen Jacken und das Maskottchen mit seinem überdimensionalen Kostüm konnten die klirrende Kälte aber noch ein bisschen länger aushalten. Keule tanzte vor Freude im Strafraum, während die Anhänger für eine kleine Nachtmusik sorgten.

Nach dem hart erkämpften 2:1 im Viertelfinale des DFB-Pokals gegen den FC St. Pauli wollten viele in Köpenick den Moment kurz festhalten. Schließlich passiert es nicht alle Tage, dass Union ein Heimspiel im Pokal bestreiten darf.

„Das ist schon etwas Besonderes. Wir haben uns heute viel vorgenommen, weil es eben nicht so oft vorkommt, dass wir ein Heimspiel haben – ich glaube zweimal in den letzten acht Jahren,“ sagte Kapitän Christopher Trimmel.

Es waren tatsächlich nur zwei Heimspiele, seitdem Trimmel 2014 zum Klub wechselte, und auch davor war die Heimbilanz eher mager. Der Triumph am Dienstag war Unions erster Heimsieg im Pokal seit August 2001 – und der führte dann gleich in die Runde der besten vier. Zum einen lag diese lange Serie am Pech, dass man selten zu Hause spielte; zum anderen aber auch einfach daran, dass Union oft früh ausschied.

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Beide Flüche scheinen langsam besiegt zu sein. In den letzten zwei Saisons durfte Union zweimal zu Hause spielen, und jetzt haben die Köpenicker auch das Siegen im Pokal wieder gelernt. Nun hoffen sie auf ein weiteres Heimspiel und einen weiteren Sieg im Halbfinale.

Als er gefragt wurde, was er sich für die Auslosung am Sonntag wünsche, sprach Trainer Urs Fischer nicht von möglichen Gegnern, sondern sagte: „Es hilft uns, vor unseren eigenen Fans zu spielen. Auch heute hat es uns in gewissen Phasen des Spiels geholfen, dass wir die Unterstützung und Rückendeckung hatten.“

Im Halbfinale dürfte das noch wichtiger sein, denn es spricht einiges dafür, dass diese Hürde die bisher höchste sein wird. Zweimal hat sich Fischers Mannschaft als klarer Favorit von einem Rückstand zurückgekämpft, einmal gewann sie mit einer souveränen Leistung gegen den Stadtrivalen Hertha BSC. Richtiger Außenseiter war Union in dieser Pokalsaison noch nicht. Das wäre vor allem gegen den möglichen Gegner RB Leipzig anders.

Die neue Realität beim 1. FC Union

Favorit zu sein, ist aber auch ein Stück weit die neue Realität in Köpenick. Das letzte und bisher einzige Mal, dass Union im Halbfinale stand, war 2001. Damals gelang als Drittligist ein Sensationssieg gegen Borussia Mönchengladbach. Beim Platzsturm danach wurde das ohnehin schon schlammige Spielfeld noch mehr zerstört.

Seitdem hat sich viel geändert. Die Alte Försterei hat längst ein Dach und eine Rasenheizung, und in den letzten Jahren hat sich Union in der Bundesliga etabliert. Es wäre kein Fußballwunder mehr, wenn der Klub nach dann 21 Jahren wieder das Pokalfinale erreicht.

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Das zeigte sich auch an der Stimmung am Dienstag, die zwar fröhlich-euphorisch, aber nicht richtig außer Rand und Band war. „Eine gewisse Anspannung ist immer noch da,“ sagte Fischer, als er seine gewohnte Ruhe auf der Pressekonferenz ausstrahlte. „Ich freue mich schon, auch wenn ich es vielleicht im Moment noch nicht so zeige.“

Auf den Rängen war man natürlich weniger zurückhaltend. „Wir sind im Halbfinale!“, schrie Stadionsprecher Christian Arbeit ins Mikrofon und erntete einen lauten Jubelschrei. Dieser klang vor allem nach Erleichterung. Bei erfolgreichen Mannschaften ist das hungrige Herbeisehnen des nächsten Erfolgs eben immer deutlich mehr zu spüren. Bei Union behauptet man gerne, dass man noch lange nicht vom aktuellen Erfolg verwöhnt ist. Aber der Erfolg ist eine Droge, die schnell süchtig macht, und im Pokal ist der nächste Rausch immer nah.

Als er sich vom Wettbewerb verabschiedete, wünschte Gästetrainer Timo Schultz Union alles Gute für das Halbfinale. „Für uns war Endstation in Berlin, ich hoffe, für euch ist es das auch.“ Gemeint war natürlich das Endspiel im Olympiastadion, doch bei Union würden sie es wohl differenzierter beschreiben. Das Ziel lautet nun: Endstation Charlottenburg. Am besten mit einem letzten Zwischenhalt in Köpenick.