Alle müssen sparen, nur der FC Augsburg lässt es krachen
Fredi Bobic hat kurz vor dem Jahreswechsel noch einmal die besonderen Umstände der aktuellen Zeit in Erinnerung gerufen – für alle, die seit dem Sommer an einer Art Gedächtnisschwund gelitten haben. In seiner Jahresendbilanz und mit Blick auf die beginnende Transferperiode hat der Sportgeschäftsführer von Hertha BSC auf eine Situation verwiesen, „die mit dem ganzen Corona-Wahnsinn noch mal komplizierter geworden ist“.
Bobic spricht damit gewissermaßen für den gesamten Profifußball in Deutschland, der nach Jahren des Überflusses durch die Pandemie und ihre Folgen urplötzlich zum Sparen gezwungen ist. Das, was der Sportchef des Berliner Bundesligisten erlebt, erleben auch die meisten seiner Kollegen.
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Denn selbst wenn Transfers im Januar wieder möglich sind, heißt das noch lange nicht, dass Transfers tatsächlich stattfinden werden. „Der Sommer war schon sehr, sehr kompliziert. Und der Januar wird nicht gerade besser“, prophezeit zum Beispiel Max Eberl, der Sportdirektor von Borussia Mönchengladbach. „Das Wünsch-dir-was ist vorbei.“
Insofern waren die Reaktionen nachvollziehbar, als am Neujahrstag in den sozialen Medien erste Gerüchte über einen anstehenden Transfer des FC Augsburg aufkamen: Der Tabellenfünfzehnte der Fußball-Bundesliga stand demnach vor der Verpflichtung eines 18 Jahre alten Stürmers von Dallas FC aus der US-amerikanischen Major League Soccer. Für rund 15 Millionen Euro zuzüglich erfolgsabhängiger Bonuszahlungen.
Klar. Der FC Augsburg! Für 15 Millionen Euro! Mitten hinein in die vielleicht schlimmste Coronawelle, die für den Profifußball mal wieder Geisterspiele und damit weitere Einnahmeverluste zur Folge hat!
Was zunächst wie der übliche Transfergossip geklungen haben mag, hat sich inzwischen als zutreffend herausgestellt. Am Montagnachmittag verkündete der FCA die Verpflichtung des amerikanischen Nationalspielers Ricardo Pepi, der einen Vertrag bis 2026 erhält. „Wir freuen uns, dass sich Ricardo trotz Interesses zahlreicher internationaler Topklubs für einen Wechsel zum FCA entschieden hat“, wird Augsburgs Sportchef Stefan Reuter in einer Pressemitteilung zitiert.
Der Transfer steht quer in der Landschaft
Dieser Deal, den der FCA nicht ohne einen gewissen Stolz in der Stimme bekannt gegeben hat, steht derzeit ein bisschen quer in der Landschaft. Alle müssen sparen, selbst die großen Bayern und Borussia Dortmund, nur das kleine Augsburg lässt es mal so richtig krachen. In der vermutlich größten finanziellen Krise des deutschen Fußballs leisten sich die Schwaben einen neuen Rekordtransfer (bisher Martin Hinteregger für 10,5 Millionen Euro). Im Bemühen um Pepi haben sie sogar den VfL Wolfsburg ausgestochen, der mit VW immerhin einen finanzkräftigen Konzern im Rücken hat.
Selbst die Bayern (und einige andere europäischen Topklubs) sollen Pepi auf dem Schirm gehabt haben, was für ein gewisses Potenzial des Stürmers spricht und dem FCA perspektivisch eine ansehnliche Rendite verspricht. Der US-Amerikaner, der nächste Woche 19 wird, ist trotz seines jugendlichen Alters bereits Nationalspieler und hat in sieben Länderspielen drei Tore erzielt und drei weitere vorbereitet.
Trotzdem muss man sich eine solche Investition – bei aller Fantasie für steigende Kurse – erst einmal leisten können.
Das lenkt den Blick auf eine besondere Konstellation bei den Augsburgern, die nur deshalb von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet geblieben ist, weil der FCA eben generell weitgehend unbeachtet bleibt. Pepis Verpflichtung wird ursächlich mit dem Einstieg des US-amerikanischen Milliardärs David S. Blitzer, 52, beim FC Augsburg in Verbindung gebracht.
Blitzer verwaltet für die Investmentgesellschaft Black Stone Vermögen in Höhe von 34 Milliarden Dollar, außerdem hat er sich mit seinem privaten Geld bei den New Jersey Devils (Eishockey) und den Philadelphia 76ers (Basketball) eingekauft. Und zu seinen Beteiligungen im Fußball, unter anderem beim Premier-League-Klub Crystal Palace, gehört seit April des vergangenen Jahres eben auch der FC Augsburg.
Mit seiner Bolt Football Holding hat Blitzer 45 Prozent der Hofmann Investoren GmbH erworben, die wiederum 99,4 Prozent der Aktien an der FC Augsburg GmbH besitzt. Die restlichen 0,6 Prozent sind beim eingetragenen Verein verblieben. Blitzer ist damit der größte Anteilseigner bei den Augsburgern.
Klaus Hofmann ist Fan, Investor und Präsident des FCA
„Es gibt nach wie vor die 50+1-Regel, die wir einhalten“, sagt Klaus Hofmann, der starke Mann des Klubs. Trotzdem ist das Konstrukt speziell. Denn Hofmann ist nicht nur Präsident des Vereins, sondern auch der Alleinvertretungsberechtigte und einzige Geschäftsführer der Hofmann Investoren GmbH. Augsburgs Präsident, selbst erfolgreicher Unternehmer, pflegt mit Blitzer nach eigenen Angaben seit 20 Jahren eine Geschäftsbeziehung. Gelegentlich heißt es sogar, beide seien befreundet.
Dass diese Konstellation bisher bei weitem nicht so viel Aufsehen erregt hat wie etwa der Einstieg von Lars Windhorst bei Hertha BSC, liegt vermutlich auch daran, dass Hofmann seit seiner Kindheit FCA-Fan und dem Verein eng verbunden ist. Hofmann ist gewissermaßen ein Ultra in Nadelstreifen. Wie alle Ultras wettert er zum Beispiel immer wieder gegen ein Konstrukt wie Rasenballsport Leipzig.
Aber auch Hofmann ist eben (genau wie Blitzer) ein Investor, der sich mit viel Geld bei einem Verein eingekauft hat. Und vielleicht ist die Verpflichtung Pepis daher auch mehr als nur ein Transfercoup des FC Augsburg. Vielleicht ist sie schon ein erstes Zeichen dafür, dass sich bedingt durch Corona die Koordinaten im ganzen Fußball verschieben; dass Vereine mit potenten Investoren im Rücken sich künftig Dinge oder Spieler leisten können, die für andere eher unerschwinglich sind.
David Blitzer jedenfalls träumt davon, mit dem FC Augsburg in den Europapokal zu kommen und den amerikanischen Markt mit dem Klub zu erobern. Ricardo Pepi könnte dabei helfen. Erst einmal aber muss er mit dem FCA den Abstieg aus der Bundesliga verhindern.