Robin Ticciati dirigiert Gustav Mahler: Heiteres Musizieren und dunkler Klang
Auf den letzten Ton seiner Komposition „Lux aeterna“ will György Ligeti sieben Takte Stille folgen lassen. In die Stille dieser „Klangflächenkomposition“ von 1966 aber fallen die acht Hornisten des groß besetzten Deutschen Symphonie-Orchesters ein, um „Kräftig. Entschieden“ die dritte Symphonie Gustav Mahlers einzuleiten.
Die verblüffende Kombination der Musik in diesem Programm des DSO unter seinem Chefdirigenten Robin Ticciati betont eine Gemeinsamkeit der heterogenen Werke: Es geht um Raumklangregie, denn ein Zauberwort der beiden Partituren lautet: „Wie aus der Ferne“.
Die Frauenstimmen des Rundfunkchors Berlin, die sich für den fünften Satz der Mahler-Symphonie bereithalten, setzen den Auftakt mit der 16-stimmigen A-cappella-Musik von Ligety. Der Text aus der lateinischen Totenmesse geht in einem statischen Klangbild unter, während die Töne, dicht geschmiegt, ohne rhythmische Charaktere, geheimnisvoll von der Höhe der abgedunkelten Philharmonie herabklingen. Eine sublime Leistung des Rundfunkchors.
Aus dem kleinen „Komponierhäuschen“ am Attersee, wo Mahler jeweils in den Sommerferien gearbeitet hat, kommt seine 1896 vollendete Dritte in die Welt, eine Riesensymphonie von eineinhalb Stunden in sechs Sätzen, dem vierten und fünften auf Texte von Nietzsche und aus „Des Knaben Wunderhorn“. Zu den genannten Mitwirkenden treten Karen Cargill (Mezzosopran) und die Knaben des Staats- und Domchors.
Unter Robin Ticciati aber ereignet sich das Wunder einer Interpretation, die alle Widersprüchlichkeiten der Musik aus heiterem Musizieren mit Vogelrufen und romantischem Nachtdunkel, Schumann-Klang und chromatischen Ekstasen aussingen lässt, ohne das eigenartig Unvereinbare zu kaschieren.
Das glänzend aufgelegte Orchester artikuliert feuriges Marschtempo mit Schärfe bis zu „höchster Kraft“, die Posaune von Andreas Klein tönt mit bezwingendem Rubato, die Solovioline des Konzertmeisters Wei Lu mischt sich verzierend ein, und alles verbindet sich zu einer großen Interpretation der „Ersten Abteilung“. Im Scherzo steigt „wie aus weiter Ferne“ das wundervolle Posthorn-Solo von Bernhard Plagg herab. Vom Streicherklang an behauptet im letzten Satz unter Ticciatis modellierenden Händen jede instrumentale Linie ihre Bedeutung in der Vielstimmigkeit. So wird das Finale zum Höhepunkt einer außerordentlichen Aufführung. Großer jubelnder Beifall.
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