Randy Newman wird 80: Schönklang und Sarkasmus
Als Randy Newman 2008 seinen Song „A Few Words in Defense of Our Country“ veröffentlichte, näherte sich die Amtszeit des US-Präsidenten George W. Bush ihrem Ende. Es ist ein Abgesang auf den amerikanischen Traum, vorgetragen zum schunkelnden Rhythmus einer Country-Ballade. Mit näselnder Stimme beklagt der Sänger die Unfähigkeit der Regierung, beteuert aber, dass alles vielleicht doch gar nicht so schlimm sei. Weil die Welt schon Herrscher gesehen habe, die noch fürchterlicher waren: den römischen Kaiser Caligula, der ein Pferd zum Konsul ernannte, die Erfinder der spanischen Inquisition, Hitler und Stalin.
Newman ist ein begnadeter Satiriker, immer war es seine Strategie, die sarkastischen Botschaften seiner Songs im größtmöglichen, oft orchestralen Schönklang zu verpacken. Bei „A Few Words in Defense of Our Country“ ging es um die Regierung von George W. Bush, von der Newman dachte, es sei die schlechteste in der Geschichte der Vereinigten Staaten.
„Da war ich voreilig“, sagte Newman 2017 im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Denn noch besser passt der Song zu einem Mann, der demnächst ins Weiße Haus zurückkehren könnte: Donald Trump. Newman hält ihn für „eine Gefahr für die ganze Welt“.
Randy Newman, der vor 80 Jahren, am 28. November 1943, in Los Angeles geboren wurde, entstammt einer Musikerdynastie. Sein Vater, ein Arzt, spielte gelegentlich Klarinette in der Bigband von Benny Goodman. Seine drei Onkel Alfred, Emil und Lionel Newman schrieben Soundtracks für Dutzende von Hollywood-Filmen. Der Neffe begann schon mit 17 Jahren eine Karriere als Songwriter und komponierte unter anderem Stücke für Dusty Springfield, Peggy Lee und Gene Pitney. Die ersten beiden Alben, die er selbst herausbrachte, floppten.
„Meine Texte bestehen zu großen Teilen aus Rollenlyrik, aus Fiktionen“, sagt Newman. „Ich erfinde einen Charakter, schmeiße ihn in einen Song und gucke zu, was er dort anstellt. Wenn ich ,ich‘ sage in einem Lied, dann bin ich das fast nie selbst.“ In seinem Lied „Rednecks“ versetzt er sich in die Perspektive eines rassistischen weißen Südstaatlers, in „Louisiana 1927“ beschreibt er ein katastrophales Mississippi-Hochwasser, und in „It’s the Money That I Love“ bringt er das Wesen des Kapitalismus auf den Punkt: „I don’t love Jesus / He never done a thing for me / It’s the money that I love.“
Manche von Newmans Songs wirken wie Reportagen, andere ähneln Miniaturdramen. Mit seiner anfangs missverstandenen Hymne „Short People“ gelang ihm 1977 ein Singlehit, auch seine herausragenden Alben „Sail Away“, „Good Old Boys“ und „Little Criminals“ konnten sich in den Charts platzieren. Doch ein echter Popstar ist Newman, der anfangs seinem Idol Ray Charles nacheiferte, nie geworden. Vermutlich, weil dafür seine Musik zu altmodisch, seine Stimme zu dünn und seine Texte zu pessimistisch klangen.
„Ich kann jede Art von Musik schreiben“, hat Randy Newman selbstbewusst festgestellt. Ähnlich wie seine Cousins Thomas und David Newman gehört er zu den erfolgreichsten Filmkomponisten Hollywoods. Auf die Musik zu Milos Formans Epochenporträt „Ragtime“, die er 1981 schrieb, folgten rund drei Dutzend weitere Soundtracks. Newman war zweiundzwanzig Mal für einen Oscar nominiert und hat die Auszeichnung zweimal für Trickfilme bekommen: 2002 für den Song „If I Didn’t Have You“ aus „Die Monster AG“ und 2011 für „We Belong Together“ aus „Toy Story 3“.
Eine lang geplante Europa-Tournee musste der Musiker vor kurzem wegen gesundheitlicher Probleme zum zweiten Mal absagen. „Ich vermisse es sehr aufzutreten und freue mich darauf, wenn ich es wieder kann“, schreibt er auf seiner Website. Sein bislang letztes Studioalbum „Dark Matter“ ist 2017 erschienen. „Ich glaube an keinen Gott“, sagt Randy Newman. „Aber woran ich glaube, das ist die Musik und die Kunst. Sie bringen Menschen zusammen und erschaffen eine unglaubliche Kraft.“