Das Pokalfinale hat Spuren hinterlassen
Die Niederlage tat weh. Sehr weh. Nur widerwillig nahmen die Spieler von Alba Berlin nach dem verlorenen Pokalfinale die Silbermedaillen in Empfang. Niels Giffey beantwortete pflichtschuldig ein paar Fragen des übertragenden Senders und nach der Siegerehrung waren die Berliner schnell weg. Auch in den Sozialen Medien, wo sie eigentlich sehr aktiv sind, herrschte Ruhe. „Wir haben sehr, sehr gut begonnen, aber als Bayern besser geworden ist, sind wir verschwunden“, sagte Trainer Aito Garcia Reneses.
Alba hat in dieser strapaziösen Saison mittlerweile 71 Spiele bestritten und war vor allem in der Euroleague gezwungen, auch Niederlagen umgehend zu verarbeiten. Ganz so schnell wird es nach der verpassten Titelverteidigung im Pokal aber nicht gehen. Das 79:85 gegen Bayern München hat Spuren hinterlassen. Physisch wie mental.
Das war schon in der Schlussphase des Spiels zu sehen. Während sich auf dem Feld fünf Alba-Profis mit letzten Kräften gegen die drohende Niederlage stemmten, saßen draußen fünf Kollegen, die nicht mehr eingreifen konnten. Luke Sikma schied Mitte des dritten Viertels verletzt aus und wenig später ging auch bei Johannes Thiemann nichts mehr. Zudem holten sich Peyton Siva, Ben Lammers und Niels Giffey im Schlussabschnitt allesamt ihr fünftes Foul ab und mussten vom Feld. Das gab es in den vergangenen Jahren unter Reneses wohl noch nie. „Es ist sehr selten, dass mal ein Alba-Spieler ausfoult“, sagt Sportdirektor Himar Ojeda – und die Statistiken geben ihm recht. Alba ist in der Bundesliga das Team, das mit einem Wert von 17,5 im Schnitt mit Abstand am wenigsten foult. Im Pokalfinale wies der Spielberichtsbogen für die Berliner 28 Fouls aus, für München 26.
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Das zeigt bereits, was an diesem bitteren Sonntagnachmittag aus Berliner Sicht schiefgelaufen ist. Nach zehn Minuten Alba-Basketball mit bis zu 15 Punkten Vorsprung schaffte es München, das Spiel zu entschleunigen, es physisch zu machen. Die Berliner wichen von ihrem Stil ab und das war auch der größte Kritikpunkt ihres Trainers. „Wenn etwas zwei oder drei Mal nicht klappt, musst du es beim vierten Mal trotzdem genauso spielen“, sagte Reneses.
Ab dem zweiten Viertel lief nicht mehr viel für Alba und die Bayern wirkten trotz des 50-minütigen Kraftakts im Halbfinale am Vortag den Tick entschlossener. Viele umkämpfte Bälle landeten bei den Münchnern, Alba ärgerte sich über einige Pfiffe der Schiedsrichter und das Spiel wurde zu einem echten Pokalfight – den die Berliner in den Schlussminuten aber fast noch gedreht hätten.
Bis auf zwei Punkte kamen sie wieder heran, leisteten sich aber zu viele Fehler von der Freiwurflinie, insbesondere der erfahrene Spielmacher Peyton Siva. „Das ist schwer zu erklären, aber die Spieler sind physisch und mental müde“, sagt Ojeda. „Besonders in einer Situation wie in München, in der du dich mit dem Spielverlauf nicht wohl fühlst und keinen Rhythmus hast, passieren solche Fehler.“
Trainer Reneses richtete den Blick kurz nach der Niederlage schon wieder nach vorne. „Wir müssen daraus lernen für die Zukunft“, sagte der 74 Jahre alte Spanier. Am Donnerstag (19 Uhr, Magentasport) startet Alba bereits in die Play-offs und spätestens dann muss das Team die Enttäuschung verarbeitet haben. „Wir müssen den Kopf frei bekommen und nach einer so intensiven Saison ist das schwierig. Die physische Erholung wird gar nicht so ein großes Problem“, sagt Ojeda, klammert dabei aber die verletzten Sikma und Thiemann aus.
Der US-Amerikaner bekam erst einen Schlag auf das Bein und dann noch einen auf den Rücken. Danach saß er minutenlang auf einem Fahrrad-Ergometer, doch die Schmerzen waren zu groß für eine Rückkehr auf das Feld. Thiemann kollidierte mit Münchens Vladimir Lucic und hielt sich im Bauchbereich. Beide unterzogen sich am Montag in Berlin MRT-Untersuchungen.
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Ein Ausfall der beiden Leistungsträger würde Alba in dieser entscheidenden Phase der Saison vor große Herausforderungen stellen. Während neben Thiemann mit Ben Lammers und dem in München nicht eingesetzten Christ Koumadje noch zwei Center zur Verfügung stehen, ist Sikma mit seinem Spielverständnis und seiner Vielseitigkeit im Berliner System unersetzlich.
Was für ein schwieriger Gegner im Viertelfinale erwartet, hat Alba in der Hauptrunde am eigenen Leib erfahren. Im März und April unterlagen die Berliner den Hamburg Towers gleich zwei Mal. „Sie wissen, wie man uns besiegen kann, und haben viel Selbstvertrauen“, sagt Ojeda über den Gegner in der „Best-of-Five“-Serie. „Aber vielleicht sind diese zwei Niederlagen für uns auch eine Extramotivation.“