Robert Forster und sein Album gegen den Krebs: Lieder für die Rettungsluke

Vier Menschen im Stuhlkreis, eine Familie beim gemeinsamen Musizieren. Der Vater schlägt zwei, drei Akkorde auf seiner Akustikgitarre an, sein rechter Fuß stampft dazu den Rhythmus auf dem Fußboden. Dann setzt der Sohn mit seinem Bass ein, die Tochter kommt mit ihrer E-Gitarre dazu. Und schließlich klöppelt die Mutter mit ihren Holzschlägeln auf dem Xylophon eine kleine Melodie, die aus vier Tönen besteht.

Während die E-Gitarre aggressiv aufheult, wiederholt der Vater mit leicht atemloser Stimme die ewig gleichen sieben Wörter: „She’s a fighter / Fighting for good.“ Ein Mantra, eine Beschwörung. Am Ende sieht man das Gesicht der Mutter mit raspelkurzen grauen Haaren und geschlossenen Augen in Großaufnahme.

Man könnte das Video zu Robert Forsters Song „She’s a Fighter“ für das Dokument eines harmlosen Hausmusikabends halten. Doch die Geschichte, die dahintersteckt, ist dramatisch. Im Juli 2021 war bei seiner Ehefrau Karin Bäumler Eierstockkrebs diagnostiziert worden, vor der Chemotherapie sagte sie, dass sie kämpfen werde. Damit hatte Forster das Stichwort für den Text zu einem Lied gefunden, das er schon vorher geschrieben hatte. Ob Bäumler, mit der er seit mehr als zwanzig Jahren verheiratet ist, Weihnachten noch erleben würde, war zu diesem Zeitpunkt ungewiss.

Aber Robert, Karin, ihr Sohn Louis und die jüngere Tochter Loretta rückten in dieser Zeit eng zusammen und begannen im Haus der Eltern in einem Vorort der australischen Hafenstadt Brisbane gemeinsam Musik zu machen. „Wenn man sich auf einen Song konzentriert, tritt das restliche Leben in den Hintergrund“, sagt Forster.

„So wurde die Musik für uns zur Rettungsluke.“ Auch Freunde stießen zu den Sessions, darunter Adele Pickvance, Bassistin von Forsters ehemaliger Band The Go-Betweens, die inzwischen als Krankenpflegerin arbeitet und die Familie mit warmen Mahlzeiten versorgte.

Die Sessions wurden zur Grundlage von Robert Forsters Album „The Candle And The Flame“, das an diesem Freitag erscheint. Vollendet worden war es in einem Studio in Brisbane, als Bäumler nach der Chemotherapie und einer Operation langsam wieder zu Kräften kam. „She’s A Fighter“ ist das Auftaktstück, und weil es live und genauso minimalistisch aufgenommen wurde, wie es im Wohnzimmer entstanden war, findet sich darin die ganze Angst, Trauer und Wut einer Zeit zwischen Hoffen und Bangen.

Der Albumtitel „The Candle And The Flame“ spielt mit der metaphorischen Symbolik der Kerze als Lebenslicht, die eine lange Tradition in Literatur und Popmusik hat. Wer nach Anspielungen auf Bäumlers Krankengeschichte sucht, wird bei Zeilen wie „You’re far from over and you can heal yourself“ in der countryesk zirpenden Ballade „It’s Only Poison“ oder „Time moves in one direction always / And there’s been breakdown at the intersection out on Highway 5“ im meditativen Folkschunkler „Always“ fündig. Aber alle Songs waren bereits fertig, als die Diagnose kam.

Wenn man sich auf einen Song konzentriert, tritt das restliche Leben in den Hintergrund. So wurde die Musik für uns zur Rettungsluke.

Robert Forster über die Arbeit an seinem Album „The Candle And The Flame“.

Forsters achtes Studioalbum ist eine höchst intime und bewegende Platte geworden. Ein schöneres Liebeslied als „Tender Years“ hat der inzwischen 65-jährige Sänger vielleicht nie geschrieben. Mit schwelgerischer Stimme erinnert er sich da, begleitet von euphorisch dengelnden Gitarren und einer warm brummenden Orgel, an Stationen der Beziehung zu seiner Frau, vom Kennenlernen in Heidelberg, über die Zeit mit den Babys bis zur Gegenwart, in der ihre Schönheit „nicht verwelkt“ sei. Bevor der Song in einem beatleesk zerdehnten Chor endet, verkündet der Immer-noch-Liebende: „I know I can’t live without her.“

Nachdem sein kongenialer Songwritingpartner Grant McLennan 2006 mit nur 48 Jahren gestorben und die Geschichte der Go-Betweens damit beendet war, stieg Karin Bäumler zu Robert Forsters wichtigster musikalischer Partnerin auf.

Sie hatte in der Band Baby You Know Geige gespielt, eine Zeit lang lebten sie zusammen in einem Bauernhaus bei Regensburg. Die karge, von einer Akustikgitarre und Bäumlers Geige getragene Ode „The Roads“ ist eine Reminiszenz an diese Jahre und ihre Autofahren durch niederbayrische Nächte, von Hainsbach nach Mengkofen, durch Schnee und Nebel. Umwege sind das, worauf es ankommt im Leben.

Die Arbeit an „The Candle And The Flame“ sei für seine Familie eine Art Therapie gewesen, hat RobertForster in einem Interview erzählt. Dafür klingt das Album überraschend fröhlich. „Der Sound gestreiften Sonnenlichts“, so hat er die Musik der Go-Betweens in seiner Autobiografie „Grant & ich“ beschrieben, mit der er McLennan ein Denkmal setzte.

In „When I Was A Young Man“ erzählt Robert Forster davon, wie er 1978 von zu Hause auszog, McLennan an der Universität von Brisbane kennenlernte, ihm das Bassspielen beibrachte, erste Songs schrieb und seine Band gründete. Das Stück endet mit euphorischen „Yeah Yeah Yeah“-Rufen.

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