Pop und Politik: Und dann auch noch „Tim“ von den Replacements
Als Barack Obama am Montag in den sozialen Medien seine Pop-Sommer-Playlist veröffentlichte, kam diese Liste sehr hübsch der sommerlichen Aufregung um Bodo Ramelows Trio-Cover-Wahlkampf-Song in die Quere. Die USA haben den coolen Obama, der Charlie XCX, die Digable Planets, Common oder Beyoncé hört (und ja sowieso eine Art Kultur-Orakel ist, Pop, Bücher, Filme etc, aber das ist eine andere Geschichte); Deutschland hat die Linke, Bodo Ramelow und eben den NDW-Gassenhauer von Trio, „Da-da-da (Ich lieb dich nicht du liebst mich nicht aha aha aha)“. Tja
Pop ist in der Politik eine nicht zu unterschätzende Währung geworden. So kommt denn auch, wie man in den letzten Wochen rauf und runter hören konnte, in Sachen Pop gleich nach Barack Obama seine potentielle Nachnachfolgerin Kamala Harris. Nicht nur, dass diese nach ihrer Kür zur Präsidentschaftskandidatin der Demokraten sofort von Beyoncé unterstützt wurde, die der Partei ihren Song „Freedom“ zur Verfügung stellte.
Harris beim Schallplattenkauf
Nein, es zirkulierte im Netz auch sofort ein Videoclip, auf dem Harris nach einem Schallplattenkauf zu sehen ist und wie sie Alben von Charles Mingus, Roy Ayers und Louis Armstrongs und Ella Fitzgeralds Interpretation von „Porgy und Bess“ aus der Tüte zieht.
Das sind edelste Popverfeinerungen; nur fragt sich, ob man damit Wahlen gewinnt? Bodenständiger und womöglich massentauglicher geht es bei Harris’ „running mate“, ihrem potentiellen Vizepräsidenten zu, Tim Walz. Der ist ein Fan von Classic Rock, schätzt Bruce Springsteen und Warren Zevon, weiß als Gouverneur von Minnesota Prince zu ehren (es gibt dort einen nach Prince benannten Highway) und führte sich auch den stilbildenden Postpunk aus Minneapolis zu Gemüte; Bands wie Hüsker Dü und die Replacements, deren 85er-Album „Tim“ Walz dann als remastertes Vinylalbum geschenkt bekam.
Ob das für den Wahlsieg im November reicht? Gewissermaßen mit Beyoncé und Hüsker Dü gegen Kid Rock, Kanye West und Merle Haggard. Letztere werden von Donald Trump und J.D. Vance geschätzt, weil sie sich für die Republikaner einsetzen oder wie Haggard nicht mehr wehren können. Der Countrymusiker starb 2016. Auf die Idee, beispielsweise den „Yellowstone“-Soundtrack mit zum Teil ziemlich gutem Country zu plündern, sind die Republikaner bislang noch nicht gekommen.
Falls die Demokraten gewinnen sollten, kann man sich bestimmt auf eine großartige Inaugurations-Party gefasst machen. Und sich wieder für den eigenen Poliitkbetrieb schämen: Olaf Scholz hat wohl mal „Let It Be“ von den Beatles gehört, wollte (konnte?) aber neulich beim 25-Jahre-Jubiläum des BKM nicht ein Album, Buch oder Kunstwerk nennen, das ihn nachhaltig beeinflusst hat.