Patricia Highsmith und die Frauen
Zwei schillernde Wesen begegnen einander an einer schattigen Parkbank. Darauf sitzt Tabea Blumenschein, ganz in Weiß gekleidet, die teils toupierten blonden Haare mit einer Schleife gebunden. Davor stolziert ein Pfau herum, wirft der Frau neugierige Blicke zu – und schlägt schließlich ein Rad. „Beautiful, königlich, großartig“, lobt Blumenschein. Der Pfau schreit kurz auf, sie antwortet ihm mit einem ähnlichen Laut. Danach bewundern sich die beiden in Stille weiter.
Diese schöne Szene spielte sich vor einigen Jahren auf der Pfaueninsel in Berlin ab und ist im gerade angelaufenen Dokumentarfilm „Loving Highsmith“ zu sehen. Darin fährt die Berliner Künstlerin, Schauspielerin und Kostümbildnerin Tabea Blumenschein mit der Schweizer Regisseurin Eva Vitija auf die Insel, um sich an Patricia Highsmith zu erinnern, mit der Blumenschein Ende der Siebziger eine Weile liiert war – und einmal die Pfauen besucht hatte.
Hadern mit der Homosexualität
Zwischen den Frauen lag ein Altersunterschied von 30 Jahren, die Deutsche war offenbar nicht ganz so entflammt wie die Starautorin. Als diese sie zu sich nach Frankreich einlud, schlug Blumenschein aus. „Für mich war das ein bisschen langweilig“, erinnert sich Blumenschein. West-Berlin war damals einfach aufregender als ein einsames Haus in der französischen Provinz.
Blumenschein, die in den letzten Jahren vor ihrem Tod 2020 relativ zurückgezogen in Marzahn gelebt hat, noch einmal zu sehen, gehört zu den beglückenden Momenten von „Loving Highsmith“, in dem noch zwei weitere Ex-Geliebte der 1921 in Texas geborenen und in New York aufgewachsenen Schriftstellerin zu Wort kommen. Auch sie selbst ist in alten TV-Aufnahmen präsent – vor allem aber durch Passagen aus ihren Tage- und Notizbüchern, aus denen Maren Kroymann liest.
Etwa 8000 handschriftliche Seiten waren nach Highsmith’ Tod in einem Wäscheschrank gefunden worden, rund 1300 Seiten umfasst die 2021 publizierte Buchausgabe. Ihre Lieben, ihr Herzschmerz und ihre Homosexualität – „das immer präsente Thema“ – spielen darin eine zentrale Rolle.
Es war ein Thema, mit dem die Autorin der Ripley- Romane haderte, was Vitija gut herausarbeitet. Sie skizziert das schwierige Verhältnis zwischen Highsmith und ihrer Mutter, die sie in der Jugend für ihr unmädchenhaftes Auftreten angreift und sie später zu Dates mit Männern drängt. Doch Sex mit ihnen fühlt sich für Highsmith an wie „Stahlwolle im Gesicht“. Trotzdem versucht sie, mittels Psychoanalyse zur Heterosexualität zu finden. Es klappt nicht.
Die US-Schriftstellerin Marijane Meaker, die 1959 für zwei Jahre mit Highsmith zusammenkam, sagt zu solchen Therapien: „Wir haben es alle versucht – erfolglos“. Scham, Stigmatisierung und verinnerlichte Homofeindlichkeit, die queere Menschen damals mit sich trugen, werden sehr anschaulich in den Statements der inzwischen 94-Jährigen, die ihre Erinnerungen an die Beziehung zu Highsmith bereits 2003 in dem Buch „Meine Jahre mit Pat“ geschildert hat.
Darin gibt sie offen zu, dass öffentliche Zärtlichkeiten der Geliebten ihr unangenehm waren. Während Meaker unter anderem Namen Lesbenromane schrieb, bemühte sie sich ansonsten, eine Hetero-Fassade zu wahren – wie die Mehrheit der homosexuellen Community.
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Ein knappes Jahrzehnt, bevor mit den Stone Wall Riots in der Christopher Street die moderne queere Emanzipationsgeschichte begann, war es für Homosexuelle in New York üblich, auf dem Weg zu einer Lesben- oder Schwulenbar eine U-Bahn-Station vorher oder nachher auszusteigen. Man ging lieber ein Stück zu Fuß, um nicht den Verdacht zu erwecken, homosexuell zu sein.
Folglich brachte Patricia Highsmith, die sich nie öffentlich geoutet hat, ihr zweites Buch „Salz und sein Preis“ (später: „Carol“) 1952 unter Pseudonym heraus, denn es erzählt die Liebesgeschichte zweier Frauen, die noch dazu nicht tragisch endet – es war das erste Buch dieser Art.
Regisseurin Eva Vitija verwendet immer wieder Ausschnitte aus den zahlreichen Verfilmungen von Highsmith-Romanen. Auch Todd Haynes’ wunderbare „Carol“-Adaption mit Cate Blanchett webt sie elegant ein in die Beschreibung der Entstehungsgeschichte des Klassikers. Vitija zeigt viele Verbindungslinien von Highsmith’ Leben, Lieben und Schreiben.
So bescherte die Trennung von Blumenschein der Autorin ihre erste Schreibblockade, die sie mit Hilfe der jungen Geliebten Monique Buffet überwinden konnte. Den Besuch auf der Pfaueninsel hat sie in „Der Junge, der Ripley folgte“ aufgegriffen. Und ihr „Frauenfestival“, wie Buffet es nennt, ging auch noch eine Weile weiter. Bis Highsmith sich im Tessin zur misanthropischen Eremitin entwickelte. Schnecken und Katzen waren ihre einzigen Begleiterinnen.