Party 2024 ohne DFB-Team : Was ein frühes Scheitern bei der EM bedeuten würde
Fanmeilen, Volksfeste nach begeisternden Auftritten des Nationalteams und zum Turnierende Jubeltrubel mit erfolgreichen deutschen Jungs, trällernd untermalt von der unvermeidbaren Helene Fischer am Brandenburger Tor. Denn wenn es richtig rund geht bei einer Europameisterschaft, dann sollten die Gastgeber da eben auch ordentlich mitspielen. Gerade in einer Fußballnation wie Deutschland.
Das Sommermärchen von 2006, die Fußball-WM, wäre sicher nicht zu einer so mitreißenden Party geworden, wenn sich die Nationalmannschaft von Jürgen Klinsmann seinerzeit nach der Vorrunde verabschiedet hätte. 18 Jahre später ist Deutschland wieder Gastgeber. Die Furcht davor, dass andere dem Team von Julian Nagelsmann die Party crashen könnten, steht ein halbes Jahr vor dem EM-Turnier im Raum. Nach den Niederlagen in Testspielen gegen die Türkei und Österreich wirkt das Team nicht eben selbstbewusst, ist die Stimmung in Fußballdeutschland auf dem Tiefpunkt.
Sportlich gesehen sind die drei deutschen EM-Vorrundengegner Schottland, Ungarn und die Schweiz allesamt schwächer besetzt. Dazu kommt der Heimvorteil für das Team von Julian Nagelsmann. An sich sollte das Überstehen der Gruppenphase für das deutsche Team kein Problem sein.
Doch genau da liegt schon das erste Problem. Die Fallhöhe wäre bei einem Scheitern sehr hoch. Die Konsequenzen von Seiten des Deutschen Fußball-Bund (DFB) sollten drastisch ausfallen, sollte eine EM-Endrunde in Deutschland ohne die Gastgeber stattfinden. Aber das Problem ist, dass sie kaum drastisch ausfallen können und werden. Es ist nicht davon auszugehen, dass ein Bernd Neuendorf etwa sein Präsidentenamt niederlegt.
Der Bundestrainer wird auch nicht gefeuert werden, sein Abgang ist nach dem EM-Turnier vorprogrammiert. Der immer noch junge Nagelsmann hat andere Pläne, er will wieder ein großes Klubteam betreuen. Allerdings mit dem größtmöglichen Erfolg im Rücken. Ein frühes Aus bei der EM könnte seinen Ruf nachhaltig ramponieren, zumal schon sein Abgang beim FC Bayern wenig glorreich für ihn ausfiel. Einmal Meister ist er mit dem Rekordmeister aus München geworden, das konnte mit so einem Team in den jüngsten zehn Jahren gefühlt jeder Trainer.
Für Nagelsmanns Karriere wäre ein Scheitern womöglich fatal
Julian Nagelsmann muss bei der EM also auch sich beweisen – dass er sein Amt im Falle des Misserfolgs nicht niederlegt, ist aber undenkbar. Es ist zudem Usus, dass der DFB nach einem Scheitern seine Teams bei einer Europameisterschaft einen neuen Trainer suchen muss: Nagelsmann wäre mit einem Abgang nach einem EM-Turnier übrigens in guter Gesellschaft, schon viermal legte ein Bundestrainer nach einem verkorksten EM-Auftritt sein Amt nieder. Joachim Löw war im Jahr 2021 der bislang letzte Bundestrainer, der in so einer Situation ging. Allerdings stand sein Abgang schon vor dem Turnier fest.
Die elementare Frage wird sein, wie sich der DFB neu aufstellen will und ob er das überhaupt kann und muss. Was die Nachwuchsförderung angeht, steht die Fußballnation Deutschland international gut da, ein Beleg dafür ist, dass das U-17-Nationalteam vor wenigen Wochen Weltmeister werden konnte (zum ersten Mal überhaupt). Hans-Joachim Watzke, Geschäftsführer von Borussia Dortmund und Vizepräsident des DFB, sagte daraufhin: „Dieses Team zeigt, dass man den deutschen Fußball nicht abschreiben darf. Wer so spielt wie diese U 17, der hat eine große Zukunft vor sich.“
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Bundestrainer legten nach einer verkorksten EM bislang ihr Amt nieder: Jupp Derwall (1984), Erich Ribbeck (2000), Rudi Völler (2004) und Joachim Löw (2021).
Das hieße also, auch nach einem Scheitern bei der Heim-EM, es kann nur aufwärtsgehen? Die Frage lässt sich eben trotz des erfolgreichen Nachwuchses nicht sicher beantworten, Prognosen verbieten sich aus zwei Gründen: Zum einen lässt sich nicht sagen, ob die Teenager-Weltmeister tatsächlich eine Entwicklung mit linear aufsteigender Formkurve haben werden und zum anderen kommt es darauf an, ob die jungen deutschen Talente wirklich die Chance bekommen, sich zunächst in der Bundesliga und dann später auch bei einem internationalen Spitzenteam durchzusetzen.
Zurzeit ist es so, dass etwa vor allem in Spanien oder Frankreich die jungen Talente eher im Teenageralter Möglichkeiten erhalten, sich früh in Spitzenteams zu profilieren. In Deutschland ist die Bundesliga von starken ausländischen Profis dominiert. Unter den aktuell sechs erfolgreichsten Torjägern der Liga steht nach der Hinrunde nur ein einziger deutscher Spieler – der Stuttgarter Deniz Undav teilt sich mit dem Dänen Jonas Wind (Wolfsburg) Rang fünf in dieser Wertung. Undav (9 Tore) hat nicht mal halb so viele Treffer erzielt wie der Engländer Harry Kane (21).
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Diese Statistik lässt sich zwar nicht für alle Positionen mit dieser Tendenz anführen (unter 25 bislang eingesetzten Torhütern sind 18, die für die Nationalmannschaft spielen könnten), aber sie zeigt auch, wo es fehlt: Viele internationale Topspieler, abgesehen von Ilkay Gündogan (Manchester City) oder Toni Kroos (Real Madrid) haben die Deutschen nicht.
Und daran kann der DFB wenig ändern, aber vielleicht muss er mehr Einfluss auf die strukturelle Entwicklung der Spieler in den Ligen der Deutschen Fußball-Liga (DFL) nehmen: Es wäre nach einer verkorksten EM womöglich an der Zeit, an eine Quotenreglung zu denken, die den Einsatz junger Spieler in der Bundesliga fördert. Denn solange Talente vom DFB gefördert werden, dann aber im Seniorenbereich auf dem Weg nach oben ausgebremst werden, wird sich perspektivisch wenig ändern.
Sicher muss nach einem Scheitern auch die Frage gestellt werden, warum es mit der Binnenmentalität in der deutschen Nationalmannschaft nicht stimmt. Warum versagen dieselben Spitzenspieler im Nationalteam zuverlässig, während sie im Klub zuverlässig überzeugen? Der DFB müsste einen neuen Bundestrainer präsentieren, der den Spielern das Selbstbewusstsein geben kann, das sie aufgrund ihrer sportlichen Klasse haben sollten.
Ex-Nationalspieler Olaf Thon sagte dazu dem Tagesspiegel, dass das Thema Druck eigentlich keins sein dürfe. Damit sollten die Spieler umgehen können. „Ich habe das bei der EM 1988 im eigenen Land erlebt. Der Druck war groß, aber wir haben es immerhin ins Halbfinale geschafft.“