Die Nationalelf spielt 3:3 im 1000. Länderspiel: Ein glückliches Unentschieden gegen die Ukraine
Nach zehn Minuten – das Netz des ukrainischen Tores zappelt noch – schickten die Fans im Bremer Weserstadion eine erste Welle durchs Rund. Sie verebbte vorzeitig. Doch schon der zweite Versuch gleich im Anschluss war erfolgreich. Dabei hatte David Raum, der linke Außenverteidiger der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, nur das Außennetz getroffen.
Mit solchen Feinheiten – Tor oder nicht Tor? – wollten sich die Zuschauer im ausverkauften Bremer Stadion am frühen Montagabend offenbar nicht länger aufhalten. Es war nun mal keine alltägliche Begegnung.
Das lag zum einen daran, dass es das 1000. Länderspiel in der Geschichte des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) war. Das lag aber eben auch am Gegner. Nachdem vor dem Anpfiff die letzten Klänge der ukrainischen Nationalhymne erklungen waren, gab es auch unter den deutschen Fans großen Jubel.
Man spiele nicht gegen die Ukraine, sondern mit der Ukraine, hatte Bernd Neuendorf, der DFB-Präsident, vor der Partie gesagt. Zumindest auf den Rängen war das so. Auf dem Feld hingegen war der deutschen Mannschaft schon anzusehen, dass sie die Begegnung ausreichend ernst nehmen wollte. Richtig gelingen wollte ihr das zeitweise nicht.
Ausgleich in der Nachspielzeit
Immerhin konnten die Deutschen im neunten Aufeinandertreffen mit der Ukraine die erste Niederlage gerade noch abwenden. 1:3 lag die Nationalmannschaft zehn Minuten vor dem Ende zurück. Dank Kai Havertz langte es immerhin noch zu einem 3:3-Unentschieden. Erst hatte der frühere Leverkusener zum Anschluss getroffen; dann holte er einen Elfmeter heraus, den Joshua Kimmich in der Nachspielzeit verwandelte.
„Das Spiel zeigt die Verfassung der Mannschaft“, sagte Bundestrainer Hansi Flick. Und die ist im Moment alles andere als stabil und gut. Flick hatte seine Mannschaft, wie vorab angekündigt, mit Dreierkette aufs Feld geschickt. Leon Goretzka, und nicht etwa sein Münchner Vereinskollege Joshua Kimmich, spielte als Sechser davor. Im Angriff durften sich Leroy Sané und der Bremer Lokalmatador Niclas Füllkrug versuchen, der vom Publikum besonders ekstatisch gefeiert wurde.
Der Mittelstürmer hatte schon nach 90 Sekunden die große Gelegenheit, die Begeisterung noch weiter in die Höhe zu treiben. Nach einer Balleroberung durch Innenverteidiger Antonio Rüdiger tief in der ukrainischen Hälfte stand Füllkrug ganz allein vor Torhüter Anatoliy Trubin – doch der Bremer setzte den unbedrängt am Tor vorbei.
„Ich war einen kurzen Moment schockiert, dass ich diesen Ball zugespielt bekomme“, sagte Füllkrug. Manchmal ist es für einen Stürmer eben besser, wenn man keine Gelegenheit hat, lange nachzudenken. So wie nach fünf Minuten, als Rechtsverteidiger Marius Wolf den Ball aufs ukrainische Tor schoss, und Füllkrug sein Knie in die Flugbahn brachte. Trubin hatte keine Abwehrchance.
Flicks Team wirkte zumindest willig
Der Treffer zum 1:0 wurde Füllkrug zugeschrieben, der nun in fünf Länderspielen nacheinander getroffen hat und dadurch zu den bisherigen Rekordhaltern, unter anderem Gerd Müller und Max Morlock, aufgeschlossen hat. „Cool, das wusste ich nicht“, sagte der Bremer. „Aber heute wurde ich angeschossen, heute habe ich wenig dazu beigetragen.“
Die Dinge schienen sich für die Nationalmannschaft in die richtige Richtung zu entwickeln. Flicks Team wirkte willig und entschlossen. Aber die Deutschen haben zuletzt zu oft gezeigt, dass sie zu Extremen neigen. Auch in Bremen wieder – als sie binnen fünf Minuten erst den Ausgleich und dann das 1:2 kassierten.
Ein wenig erinnerte der Spielverlauf an den WM-Auftakt gegen Japan Ende des vergangenen Jahres. Weil es wieder schlimme individuelle Fehler in der Abwehr waren, die dem Gegner zwei Treffer durch Viktor Tsygankov und Mychajlo Mudryk erlaubten.
Individuelle Fehler in der Abwehr
Es ist unerheblich, ob man mit Dreier- oder Viererkette verteidigt, wenn man die Prinzipien des Verteidigens vernachlässigt und seinen Gegenspielern zu viel Platz lässt, so wie es die deutschen Verteidiger vor den beiden Toren taten. „Das ist genau das, was wir abstellen müssen“, sagte Kimmich.
Vielleicht hatten die Nationalspieler die Vorgabe des DFB-Präsidenten doch ein bisschen zu ernst genommen. Auch nach der Pause, vor dem dritten Tor der Gäste, erwiesen sie sich wieder als äußerst zuvorkommend. Nach einem etwas zu riskanten Rückpass von Julian Brandt versprang Matthias Ginter der Ball im eigenen Strafraum, Mittelstürmer Artem Dovbyk legte auf Viktor Tsygankov ab, der ohne Mühe zum 3:1 abstauben konnte.
Die bisher so freundliche Stimmung kippte, nachdem schon Füllkrugs Auswechslung zur Pause beim Bremer Publikum auf wenig Gegenliebe gestoßen war. Es gab nun wütende Pfiffe von den Rängen, die Kurve rief: „Werder Bremen!“
Die Deutschen steckten zumindest nicht auf und kamen durch ein Tor des eingewechselten Havertz zum 2:3 sieben Minuten vor Schluss noch einmal heran – ehe Kimmich die Niederlage doch noch abwenden konnte. Sein Elfmeter schlug hart neben dem Pfosten ein. So präzise waren die Deutschen in ihrem Vortrag an diesem Abend nicht immer gewesen.
Exakt ein Jahr und zwei Tage sind es noch, bis in Deutschland die Europameisterschaft angepfiffen wird. Bis dahin liegt noch eine Menge Arbeit vor dem Bundestrainer. Immerhin: Dank einer Energieleistung zum Schluss ist die Stimmung rund um die Nationalmannschaft am Montagabend zumindest nicht komplett gekippt.