Wie Berlin auffällig wird: Kunst oder Knast

Kunst-Kollegin Nicola Kuhn lässt einem das Wasser im Mund zusammenlaufen. Ausstellungen von Vermeer, Niki de Saint Phalle, Georgia O’Keefe sind angekündigt. In Amsterdam, Frankfurt am Main, New York. Berlin findet sich auch auf dem internationalen Kunstkalender. Nan Goldin im Januar, später Hugo van de Goes.

Mehr Außergewöhnliches bitte!

Großartig, möchte man sagen, aber der Schmerz folgt auf dem Fuß. Berlin, denkt sich der Berliner, muss sich mehr spreizen, mehr Außergewöhnliches zelebrieren. Das Maß aller Dinge bleibt dafür das Gastspiel des New Yorker Museum of Modern Art (MoMA) im Jahr 2004. Über 200 der bedeutendsten Werke dieser Schatztruhe lockten und lockten, bis sich die Besucherinnen und Besucher um die Neue Nationalgalerie herumwickelten. Mehr Kunst-erleben-Wollen war nie, Berlin stand mit New York auf einer Stufe.

Davon hat sich die Kulturmetropole Berlin nie wieder erholt, ein derartiger Ausstellungsevent hat sich seitdem nicht wiederholt. Ist halt so und nicht weiter schlimm? Berlin ist prallvoll mit Kunst und Kultur, da muss der Meckerfritze jetzt mal schweigen.

Kann er, muss er nicht. In der deutschen Hauptstadt, wo die Kultur als Raupe Nimmersatt fröhlich vor hin völlert, darf Größeres als Großes erwartet werden. Eine erste Anmerkung dazu: 2023 ist der 50. Todestag von Pablo Picasso. Das Museum Berggruen, das eine veritable Sammlung des Künstlers beherbergt, ist rechtzeitig wegen Sanierung geschlossen worden. Hauptwerke von Pablo Picasso sind  auf internationaler Tournee zwischen Paris und Tokio.

Das ist ein nobler Zug, wahrscheinlich sogar ein kluger Schachzug: Wer verleiht, dem wird verliehen. Aber gefeiert wird der 50. Todestag anderswo und prächtig, attraktiv und anziehend. Jetzt sind wir Berliner mal die Guten, auch nicht schlecht, oder?

Natürlich ist Berlin die Hauptstadt von allem und damit weit als ein bloßer Zentralort von Kunstgedöns. Was hat die Stadt der Welt sonst nicht alles zu bieten: Eine Kombi aus Bundes-, Abgeordnetenhaus- und Bezirksverordnetenwahl mit Marathon als Surplus, die in die Hose schießt, ein Aquarium, das in die Tiefe birst, ein Clan, der nach Dresden auf Diebesfahrt geht und nach getanem Bruch seinen Tiger zu Hause krault. Keiner kann eben alles haben: Kunst und Knast. Berlin hat sich entschieden, welche Schlagzeilen die Hauptstadt machen will.

Joachim Huber ist ein eifriger Ausstellungsbesucher und trauert immer noch der überwältigenden MoMa-Schau 2004 in der Neuen Nationalgalerie nach.

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