Zum 1000. Länderspiel der DFB-Elf: Kuriositäten, Rekorde und Besonderheiten

An diesem Montag (18 Uhr, live im ZDF) bestreitet die deutsche Fußball-Nationalmannschaft in Bremen gegen die Ukraine ein ganz besonderes Länderspiel: das 1000. Länderspiel ihrer Geschichte. Erst vier Verbände haben das zuvor geschafft. „Diese Marke erreicht zu haben, ist für uns alle ein ganz großes Ereignis“, sagt Bernd Neuendorf, der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Zum Jubiläum blicken wir noch einmal auf besondere Begegnungen, Rekorde und Kuriositäten aus den vergangenen 115 Jahren zurück.

Das Erste: „Die 11 besten Spieler von Deutschland gegen die 11 besten Spieler der Schweiz“. So wird das erste Länderspiel der deutschen Nationalmannschaft beworben, das am 5. April 1908, einem Sonntag, um 15 Uhr auf dem Landhof in Basel angepfiffen wird. Immerhin 5000 Zuschauer sollen damals dabei gewesen sein, sogar eine Holztribüne ist eigens für das Spiel errichtet worden.

Ob das mit den elf besten Spielern von Deutschland wirklich stimmt, sei mal dahingestellt. Denn oberstes Kriterium für die Nominierung war nicht etwa fußballerische Qualität, sondern geografischer Proporz. Alle Landesverbände des Deutschen Fußball-Bundes wollen berücksichtigt werden, und so steht auch ein Berliner in der deutschen Ur-Nationalelf: Torhüter Fritz Baumgarten vom Berliner Fußball-Club Germania 1888.

Der 19 Jahre alte Oberprimaner Fritz Becker von den Frankfurter Kickers bringt die Gäste in der sechsten Minute mit dem ersten deutschen Länderspieltreffer 1:0 in Führung. Und obwohl er später noch einen weiteren Treffer beisteuert, geht das Spiel 3:5 verloren.

578

Länderspiele von 999 hat die Nationalmannschaft gewonnen.

Auch Willy Baumgärtner vom Düsseldorfer SV 04 schreibt an diesem 5. April 1908 Geschichte. Mit 17 Jahren und 104 Tagen ist bis heute der jüngste Spieler, der je für die Nationalmannschaft zum Einsatz gekommen ist.

Immer wieder die Schweiz: Gegner im ersten Länderspiel überhaupt (1908), Gegner im ersten Länderspiel nach dem Ersten Weltkrieg (1920), Gegner im ersten Länderspiel nach dem Zweiten Weltkrieg (1950), Gegner im ersten Länderspiel nach der Wiedervereinigung (1990).

Die Schweiz ist quasi integraler Bestandteil der deutschen Länderspielgeschichte. Exakt 364 Tage nach dem Debüt auf dem Basler Landhof, am 4. April 1909, feiern die Deutschen in Karlsruhe gegen die Schweiz auch ihren ersten Sieg überhaupt (1:0). Und wiederum 364 Tage später, am 3. April 1910, auch ihren ersten Auswärtssieg – natürlich gegen die Schweiz (3:2).

Die Schweiz zum Dritten: Die Schweiz ist auch der Gegner, gegen den die deutsche Nationalmannschaft am häufigsten gespielt hat, insgesamt 53-mal. Auf den Plätzen zwei und drei folgen zwei weitere Nachbarländer: die Niederlande (45 Spiele) und Österreich (40). Insgesamt ist das DFB-Team auf 92 verschiedene Nationalmannschaften getroffen. Die Gesamtbilanz nach 999 Spielen lautet: 578 Siege, 207 Unentschieden, 214 Niederlagen.

Matthias Sammer (r.) war beim Spiel Deutschland gegen die Schweiz im Dezember 1990 der erste Spieler aus der früheren DDR, der für die Nationalmannschaft zum Einsatz kam.
Matthias Sammer (r.) war beim Spiel Deutschland gegen die Schweiz im Dezember 1990 der erste Spieler aus der früheren DDR, der für die Nationalmannschaft zum Einsatz kam.
© imago images/Sportfoto Rudel

Negative Bilanz: Gegen acht Teams hat die deutsche Nationalmannschaft eine negative Bilanz. Darunter sind Länder, bei denen das wenig überraschend ist: Rekordweltmeister Brasilien (5 Siege, 5 Unentschieden, 13 Niederlagen), England (13-9-17), Italien (9-13-15), Frankreich (9-8-15) und Argentinien (8-5-10). Aber dem erlauchten Kreis gehören auch die DDR (0-0-1) sowie Algerien (1-0-2) an. Und Ägypten (0-0-1).

53

Mal hat die deutsche Nationalmannschaft gegen die Schweiz gespielt.

Nicht nur die Niederlage gegen die Ägypter ist außergewöhnlich, die Umstände des Spiels, des ersten für die Deutschen außerhalb Europas, sind es auch. Als die Nationalmannschaft Ende 1958, drei Tage nach Heiligabend, Richtung Kairo aufbricht, befinden sich in ihrem Gepäck „als offizielles Geschenk für die Ägypter eine Porzellanfigur des Bamberger Reiters und ein zusammenlegbarer Weihnachtsbaum, der die deutschen Spieler ein wenig an die Heimat erinnern soll“, wie der Tagesspiegel berichtet.

Die Reise steht allerdings unter keinem guten Stern. In Athen müssen die Deutschen wegen eines Maschinenschadens das Flugzeug wechseln, und auch auf dem Feld läuft es nicht. Im Tagesspiegel heißt es: „Als die deutsche Auswahl, die mit einer A-Nationalmannschaft nur entfernte Ähnlichkeit hatte, vor 30.000 Zuschauern auf den betonharten Platz lief, da war noch nicht einmal der Klimawechsel verkraftet.“ Die deutsche Verlegenheitself (ohne unter anderem Uwe Seeler) verliert gegen überraschend starke Ägypter 1:2.

Für immer negativ. Jürgen Sparwasser trifft bei der WM 1974 zum 1:0 für die DDR gegen die BRD. Eine Chance zur Revanche wird es für die DFB-Elf nie mehr geben.
Für immer negativ. Jürgen Sparwasser trifft bei der WM 1974 zum 1:0 für die DDR gegen die BRD. Eine Chance zur Revanche wird es für die DFB-Elf nie mehr geben.
© imago/Werner Schulze

Deutschland gegen Deutschland (I): Einen Malus kann die Nationalmannschaft nicht mehr beseitigen. Auch nach weiteren 1000 Länderspielen wird die Bilanz gegen die DDR für immer negativ bleiben. Dabei hätte es für die Bundesrepublik kurz vor dem Verschwinden des Arbeiter- und Bauernstaates beinahe noch die Möglichkeit gegeben, sich für die Niederlage bei der WM 1974 im einzigen deutsch-deutschen Fußballduell zu revanchieren. In der sich anbahnenden Wiedervereinigung hatten der DFB und sein DDR-Pendant, der DFV, für den 29. August 1990 ein Freundschaftsspiel in Leipzig vereinbart.

Die Revanche gegen die DDR fällt aus

Doch ein halbes Jahr vor dem abgemachten Termin wurde die Begegnung wieder abgesagt – weil die Bundesrepublik und die DDR im Februar 1990 in eine Qualifikationsgruppe für die Europameisterschaft 1992 in Schweden gelost worden waren. „Wir wären gerne nach Leipzig gefahren, aber unter diesen Voraussetzungen kann das Freundschaftsspiel nicht stattfinden“, sagte Horst R. Schmidt, der Generalsekretär des DFB. Auch die beiden Qualifikationsspiele, die für Ende 1991 geplant waren, wurden schließlich aus nachvollziehbaren Gründen nicht ausgetragen.

Deutschland gegen Deutschland (II): Ein innerdeutsches Duell gab es auch zwischen der Bundesrepublik und dem damals eigenständigen Saarland, und zwar in der Qualifikation für die WM 1954. Die DFB-Elf siegt sowohl im Stuttgarter Neckarstadion (3:0) als auch im Rückspiel im Saarbrücker Ludwigspark (3:1). Trainer der Saarländer ist übrigens Helmut Schön, der später von Sepp Herberger das Amt des Bundestrainers übernehmen wird.

In der Qualifikation zur WM 1954 trifft die DFB-Elf auf die Mannschaft des Saarlands (l.).
In der Qualifikation zur WM 1954 trifft die DFB-Elf auf die Mannschaft des Saarlands (l.).
© imago/Ferdi Hartung

An der Linie: Helmut Schön war einer von insgesamt elf Bundestrainern (bzw. Reichstrainern), wobei Franz Beckenbauer und Rudi Völler mangels Trainerlizenz offiziell als Teamchefs geführt wurden. Die kürzeste Amtszeit hatte Erich Ribbeck (619 Tage), die längste Sepp Herberger, der die Nationalmannschaft von 1936 bis 1964 trainierte, unterbrochen durch den Zweiten Weltkrieg und die länderspiellose Nachkriegszeit. Joachim Löw übertrifft Herberger jedoch zumindest, was die Zahl der Spiele angeht (198 zu 162).

1974 in München bejubelte Helmut Schön (hellblaue Jacke) den WM-Titel mit der DFB-Elf. 20 Jahre zuvor war er mit dem Saarland noch gegen die Bundesrepublik angetreten.
1974 in München bejubelte Helmut Schön (hellblaue Jacke) den WM-Titel mit der DFB-Elf. 20 Jahre zuvor war er mit dem Saarland noch gegen die Bundesrepublik angetreten.
© imago/WEREK

Bis 1926 hat die Nationalmannschaft ihre Spiele ohne Trainer an der Seitenlinie bestritten. Nominiert wurden die Spieler nach einem Quotensystem, die Aufstellung legte der sogenannte Spielausschuss des DFB fest, und die Taktik wurde vom Mannschaftskapitän erst am Spielort vorgegeben.

Der ewige Lothar: Lothar Matthäus ist mit 150 Länderspielen nicht nur Deutschlands Rekordnationalspieler, er ist inzwischen auch länger Rekordnationalspieler als jeder andere. Am 17. November 1993 hat er mit seinem 104. Einsatz (2:1 gegen Brasilien in Köln) den vorherigen Rekordhalter Franz Beckenbauer übertroffen.

Debüt in Neapel. Bei der EM 1980 bestritt Lothar Matthäus in der Vorrunde gegen Holland sein erstes von am Ende 150 Länderspielen.
Debüt in Neapel. Bei der EM 1980 bestritt Lothar Matthäus in der Vorrunde gegen Holland sein erstes von am Ende 150 Länderspielen.
© imago images/Sportfoto Rudel

Der Alte Fritz: Eine andere Bestmarke kann Fritz Walter, dem Kapitän der Weltmeisterelf von 1954, niemand mehr streitig machen. Er war der erste von inzwischen sechs Ehrenspielführern der Nationalmannschaft. Die anderen sind Uwe Seeler, Franz Beckenbauer, Lothar Matthäus, Jürgen Klinsmann und Philipp Lahm.

Bei Wikipedia heißt es zwar, dass Walter erst 1958 die Ehre zuteil wurde, in Wirklichkeit geschah dies aber unmittelbar nach dem Wunder von Bern. Am 8. Juli 1954, vier Tage nach dem WM-Finale im Wankdorf-Stadion, erschien im Tagesspiegel eine siebenzeilige Meldung: „Zum Abschluß der Empfangsfeierlichkeiten in München wurde Fritz Walter, der Spielführer der deutschen Weltmeistermannschaft, vom Präsidenten des Deutschen Fußball-Bundes, Dr. Peco Bauwens, zum Ehren-Spielführer ernannt. Dieser Titel wurde damit zum ersten Male verliehen.“

Funktionäre (I): Am 16. Mai 1910 hat die deutsche Nationalmannschaft ein Problem. In Duisburg soll ein Länderspiel gegen Belgien stattfinden, aber kurz vor dem Anpfiff stehen den Gastgebern nur sieben Spieler zur Verfügung. Weil am Tag zuvor das Endspiel um die deutsche Meisterschaft stattgefunden hat, fehlen die Spieler der beiden Finalisten Karlsruher FV und Holstein Kiel. Zum Glück finden sich unter den Zuschauern im Grunewaldstadion noch einige Fußballer, unter anderem Peco Bauwens vom Kölner Sportclub, der in Duisburg unverhofft zu seinem Länderspieldebüt kommt.

Die erste Auswechslung eines Nationalspielers

Bauwens wird später tatsächlich Karriere machen, allerdings nicht als Spieler, sondern als Funktionär. Von 1949 bis 1962 ist er Präsident des DFB – und damit der einzige Mann an der Spitze des Verbandes, der jemals ein Länderspiel bestritten hat.

Und noch einen Eintrag in den Geschichtsbüchern kann ihm niemand mehr nehmen. Bei seinem einzigen Einsatz für die Nationalmannschaft 1910 in Duisburg ist Bauwens auch der erste deutsche Nationalspieler, der ausgewechselt wird. In der 55. Minute kommt Anders Breynck von Preußen Duisburg, der ebenfalls zufällig im Publikum ist, für ihn aufs Feld.

Bundestrainer Sepp Herberger, Kapitän Fritz Walter und Torhüter Toni Turek (v. l.) nach dem erfolgreichen WM-Finale gegen Ungarn in Bern.
Bundestrainer Sepp Herberger, Kapitän Fritz Walter und Torhüter Toni Turek (v. l.) nach dem erfolgreichen WM-Finale gegen Ungarn in Bern.
© imago images/Ferdi Hartung

Funktionäre (II): Nachhaltiger in Erinnerung geblieben als durch sein einziges Länderspiel ist Bauwens durch seine Auftritte im Nachgang des WM-Titels 1954. Beim Empfang der Weltmeister im Münchner Löwenbräukeller hält Bauwens eine derart deutschtümelnde Rede, dass sich der Bayrische Rundfunk aus der Live-Übertragung ausblendet.

Einen sicheren Instinkt im Umgang mit der Vergangenheit lässt sich den Funktionären des DFB ohnehin nicht immer bescheinigen. Diese Erfahrung hat im Jahr 1972 auch der frühere Bundestrainer Sepp Herberger gemacht, der in den Fünfzigern Kontakt zum früheren Nationalspieler Gottfried Fuchs aufgenommen hat, einem der Helden seiner Kindheit.

Fuchs hat bei den Olympischen Spielen 1912 beim 16:0 gegen Russland, dem höchsten Sieg der Nationalmannschaft, zehn Tore erzielt. Eine Marke, die bis heute unübertroffen ist. Aber weil Fuchs Jude ist, hat er seine Heimat Mitte der Dreißiger verlassen müssen. Er emigriert nach Kanada und entgeht dadurch dem Holocaust – anders als sein Karlsruher Mitspieler Julius Hirsch, der in Auschwitz ermordet worden ist.

In Erinnerung an zwei große Nationalspieler. In Anwesenheit ihrer Nachfahren sind Gottfried Fuchs und Julius Hirsch in ihrer Heimatstadt Karlsruhe geehrt worden.
In Erinnerung an zwei große Nationalspieler. In Anwesenheit ihrer Nachfahren sind Gottfried Fuchs und Julius Hirsch in ihrer Heimatstadt Karlsruhe geehrt worden.
© imago/Gustavo Alabiso

Herberger will Fuchs, der sich nach seiner Auswanderung in Godfrey E. Fochs umbenannt hat, vom DFB zur Eröffnung des Münchner Olympiastadions einladen lassen. Den Termin solle er sich schon mal vormerken, schreibt der frühere Bundestrainer nach Kanada. Doch der Verband sträubt sich.

Schatzmeister Hubert Claessen teilt Herberger mit: „Leider besteht keine Neigung, im Sinne Ihres Vorschlages zu verfahren. Die Mitglieder unseres Präsidiums meinen, dass ein Präzedenzfall geschaffen würde, der auch für die Zukunft noch erhebliche Belastungen mit sich bringen könnte. Hinzu kommt, dass die Haushaltslage angespannt ist und dringend notwendige Vorhaben den Vorrang genießen müssen.“

Herberger muss seine Einladung an Fuchs widerrufen. Doch diese Nachricht erreicht ihn nicht mehr. Godfrey E. Fochs ist vier Wochen zuvor in Montreal an einem Herzinfarkt gestorben.

In Berlin fing alles an: Mehr als ein Jahrzehnt hat Bremen auf ein Spiel der deutschen Nationalmannschaft warten müssen. Im Februar 2012 (2:1 gegen Frankreich) war das Weserstadion zuletzt Schauplatz eines Länderspiels. Der DFB hat lange geschmollt, weil der Bremer Senat beschlossen hat, die Ausrichter von Fußballspielen an den Kosten für die Polizeieinsätze zu beteiligen. 2015 wurde der Hansestadt sogar das EM-Qualifikationsspiel gegen Gibraltar entzogen.

„Wir wollen nicht, dass diese Region dauerhaft mit einem Bann des DFB belegt wird“, hat Präsident Neuendorf dieser Tage gesagt. Das Duell mit der Ukraine ist das elfte Länderspiel in Bremen. Spitzenreiter ist Berlin mit bisher 46 Heimspielen (von 440). Es folgen Hamburg (38) und Stuttgart (34).

In Berlin fand am 20. April 1908 auch erstmals ein Länderspiel auf deutschem Boden statt: auf dem Viktoria-Platz an der Eisenacher Straße in Mariendorf. Die Gastgeber verloren 1:5, obwohl die Engländer nur eine Amateurvereinsmannschaft geschickt hatten. Deswegen listen sie die die Begegnung in ihrer Statistik bis heute nicht als offizielles Länderspiel auf. Anders als die Deutschen.