Oper in Frankreich: Die Snobs von Bordeaux
13 (in Worten: dreizehn!) Opernaufführungen gab es in dieser Saison am Grand Théâtre de Bordeaux. Dabei hat die südwestfranzösische Metropole eines der schönsten Opernhäuser der Welt. Erbaut aus dem traumschönen, leuchtenden Sandstein der Region, eingeweiht 1780, ein Musentempel in feinstem Klassizismus.
Der Architekt Victor Louis war Freimaurer und wollte das Publikum vom Dunkel ins Licht führen – also vom niedrigen Eingangsfoyer mit der schwachen Kerzenbeleuchtung in die weite, hohe Treppenhalle, die durch eine Glaskuppel und seitliche Fenster auf natürlich Weise erhellt wird.
Vorbild für das Pariser Palais Garnier
So entstand nebenbei das erste repräsentative Pausenfoyer, in dem sich das Gesellschaftsspiel vom Sehen-und-Gesehen-Werden zelebrieren lässt. Bordeaux wurde damit zum Vorbild für alle repräsentativen Opernhäuser des 19. Jahrhunderts – besonders für den prunkvollsten aller Musiktheaterbauten, das Pariser Palais Garnier.
Wer das Grand Théâtre von innen sehen möchte, muss – weil ja kaum Vorstellungen stattfinden – beim Tourismusbüro eine Führung buchen. Ausführlich erzählt der Guide die Entstehungsgeschichte, benennt jede einzelne Statue auf dem Dach der Säulen-Vorhalle, verliert sich in architektonischen und bautechnischen Details. Nur in den Saal darf die Gruppe nicht.
Auf die in allen Reiseführern gelobte, elegante Ausstattung in Blau und Gold ist lediglich ein kurzer Blick erlaubt, durch eine verglaste Loge. Allerdings ist der Zuschauerraum nur funzelig beleuchtet, man sieht also fast nichts. Die Künstler möchten in ihrer Arbeit nicht durch Touristengruppen gestört werden, sagt der Guide entschuldigend, als er die enttäuschten Gesichter sieht. Jetzt gerade findet aber überhaupt keine Probe statt.
Noch snobistischer, publikumsverachtender kann man sich als Institution nicht verhalten. Ihr interessiert euch für uns? Ihr könnt uns anschauen in unserem goldenen Käfig, mit ausreichend Sicherheitsabstand, wie ein exotisches Tier im Zoo! In Bordeaux ist die Kunstform Oper definitiv vom Aussterben bedroht.