Novak Djokovic droht nach Triumph schon wieder Ärger

Überrascht war am Ende niemand. Novak Djokovic war als großer Favorit in das Wimbledon-Turnier gegangen, er war auch der Favorit im Finale gegen den Australier Nick Kyrgios. Und Djokovic wäre nicht Djokovic, wenn er seiner Rolle am Ende nicht auch gerecht werden würde. Also verputzte der Serbe nach seinem Erfolg am Sonntag auf dem Centre Court seine übliche Ration Grashalme und ließ sich anschließend feiern. Sieben Wimbledon-Siege stehen nun auf seinem Konto, nur Roger Federer hat noch einen mehr.

Zur Wahrheit gehört natürlich auch, dass es noch nie so leicht für Djokovic war, den Titel beim wichtigsten Tennisturnier der Welt zu gewinnen. Die russischen Topspieler fehlten, dazu war Alexander Zverev verletzt und der formstarke Vorjahresfinalist Matteo Berrettini musste wegen einer Coronainfektion passen. Rafael Nadals Körper streikte nach dem Viertelfinale, der ewig leidende Spanier wurde mal wieder ein Opfer seiner selbst.

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So spielte Djokovic diesmal in Wimbledon gegen keinen einzigen Spieler aus den Top Ten der Weltrangliste – auf dem Papier musste er fast zwangsläufig am Ende den Pokal in die Höhe recken. Sein bestes Tennis spielte der 35 Jahre alte Belgrader dabei erst im Endspiel und dort auch nicht über die gesamten drei Stunden. „Ich denke nicht, dass er heute irgendwas Großartiges getan hat”, meinte Finalgegner Kyrgios später, um dann bewundert hinzuzufügen: „Er ist einfach so gelassen. In den wichtigen Momenten fühlte es sich nicht so an, als würde er irgendwie wackeln.“

Über die mentale Stärke von Novak Djokovic ist oft gesprochen worden. Gerade in Wimbledon hat er Matches erlebt, in denen die Fans fast komplett gegen ihn waren. Das epische Finale 2019 gegen Federer war in dieser Hinsicht wohl die psychisch anspruchsvollste Aufgabe für ihn – er meisterte sie seinerzeit in unnachahmlicher Weise.

Was so selbstverständlich erscheint, ist allerdings alles andere als das. Gerade in diesem für Djokovic so schweren Jahr 2022. „Dieses Jahr ist nicht so wie die vergangenen. Es begann, wie es nun einmal begann. Und das hat mich definitiv beeinflusst“, sagte Djokovic am Sonntag nach seinem Triumph. Sein Einreise-Streit mit den australischen Behörden im Januar endete für ihn zwischenzeitlich in einem Abschiebehotel, Djokovic hatte damals vor Gericht versucht, seinen Start bei den Australian Open zu erzwingen. Er scheiterte und hatte sich selbst ein Image verpasst, das ihm fortan anheftete: Ungeimpft, stur, beratungsresistent.

Djokovic hat ein schwieriges Jahr hinter sich

“Alles, was nach Australien kam, vor allem bei den Turnieren, war eine riesige Herausforderung für mich“, erzählte Djokovic und sprach davon, wie schwierig es gewesen sei, ständig daran erinnert zu werden, was am Jahresanfang geschehen war. „Mental und emotional war ich in keiner guten Verfassung. Ich war innerlich aufgewühlt und ich brauchte Zeit, um mich neu sortieren.“

Es dauerte lange, bis Djokovic wieder in Form kam. Vor den French Open war das schließlich der Fall, doch dort unterlag er Nadal im Viertelfinale. Jetzt ist er wieder da angekommen, wo er sich seinem eigenen Selbstverständnis nach sieht: Ganz oben. Doch leichter wird er es sich auch in den kommenden Monaten nicht machen. Die alten Geschichten holen ihn wohl schon bald wieder ein. „Nun, ich bin nicht geimpft und werde mich auch nicht impfen lassen. Aber ich werde hoffentlich ein paar gute Nachrichten aus den USA bekommen, denn ich würde da wirklich gern spielen.“

Die US Open wären das logische, große Ziel für einen Spieler, der vor allem auf die Grand-Slam-Turniere schaut. Aber im Moment dürfen ungeimpfte Ausländer grundsätzlich nicht in die Vereinigten Staaten einreisen. Djokovic muss auf eine Ausnahme hoffen – vielleicht läuft es für ihn aber auch ähnlich wie vor Paris. In Frankreich wurden die Beschränkungen für Ungeimpfte rund vier Wochen vor dem Turnierstart gekippt, der Serbe konnte antreten. In New York wird ab 29. August aufgeschlagen. Ein, zwei Vorbereitungsturniere müsste Djokovic in den US aber schon spielen.

Und wenn das nicht klappt? „Dann muss ich sehen, wie mein Plan aussieht. Ich mache mir aber keinen Druck oder sehe die Notwendigkeit, bestimmte Turniere zu spielen.“ Djokovic nennt Laver Cup und Davis Cup als mögliche andere Höhepunkt und natürlich die ATP-Finals am Jahresende. Und möglicherweise kann er im kommenden Januar sogar wieder in Melbourne spielen. In Australien dürfen ungeimpfte Personen inzwischen wieder ins Land einreisen.

Djokovic bräuchte allerdings eine Ausnahmegenehmigung. Nach seinem Verfahren wurde ein dreijähriges Einreiseverbot von den Behörden gegen ihn verhängt. Das gilt bis auf Weiteres, die neue australische Regierung könnte ihn allerdings begnadigen. Vielleicht fand Taktiker Djokovic auch deshalb schon in Wimbledon überaus freundliche Worte für die Australian Open und den dortigen Centre Court in Melbourne: „Australien ist wahrscheinlich der Ort, an dem ich mich am wohlsten fühle, wegen meiner Bilanz dort und den vielen gewonnenen Titeln. Wenn ich einen Court wählen müsste, auf dem ich am liebsten spielen würde, wäre es vermutlich dort.“

Sollte er in der Melbourner Rod-Laver-Arena im nächsten Jahr tatsächlich antreten, wäre am Ende wohl auch wieder niemand überrascht, wenn er den Titel gewinnen würde. Ganz so, wie das am Sonntag in Wimbledon der Fall war.